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Hilfe im Photovoltaik-Dschungel

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Von: Eva Pfeiffer

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Damit in Gießen mehr Strom auf den Dächern produziert wird, beraten »Solarlotsen« künftig ehrenamtlich interessierte Hausbewohner. Symbolfoto: Nestor Bachmann/dpa © Red

Gießen hat Nachholbedarf bei Solaranlagen. Abhilfe schaffen soll hier die kostenlose Beratung durch »Solarlotsen«

Gießen . Strom vom eigenen Dach: Als Lothar Balling sich nach einer Photovoltaikanlage umschaute, brauchte er vor allem eines: Durchhaltevermögen. »Ich hätte nicht gedacht, dass es so schwierig wird. Es gab keine Blaupause, an die man sich halten konnte«, sagt der Gießener rückblickend. Mittlerweile deckt die Anlage des Domino-Projektes - ein Haus in der Dulles-Siedlung, in dem 14 Wohneinheiten nicht nebeneinander, sondern miteinander leben - an sonnigen Tagen fast den gesamten Stromverbrauch. Doch bis dahin war es ein weiter Weg: Monatelang wälzt Lothar Balling Unterlagen, recherchiert im Internet, fragt bei Unternehmen an. »Wenn jeder Privatmensch so einen Hürdenlauf vor sich hat, wird das nichts mit der Energiewende.« Und deshalb will Balling gemeinsam mit seinen Mitstreitern dafür sorgen, dass Photovoltaik-Interessenten in Gießen und Umgebung künftig durch »Solarlotsen« unterstützt werden.

»Wissenstransfer«

Die »Solarlotsen« arbeiten ehrenamtlich und erklären beispielsweise, wie das Dach beschaffen sein sollte, wie man den eigenen Bedarf analysiert oder welche rechtlichen Vorgaben zu beachten sind. Wer ehrenamtlich beraten möchte, muss aber noch kein ausgewiesener Photovoltaikexperte sein, denn die »Solarlotsen« werden vorab geschult.

Unterstützt wird die ehrenamtliche Initiativgruppe vom Freiwilligenzentrum für Stadt und Landkreis Gießen, das sich in Person von Adjoa Gilsebach auch um das Organisatorische kümmert. Finanziert wird das Projekt mit einer Förderung der Stadt Gießen und einer Spende der Volksbank Mittelhessen.

»Es ist entmutigend, monatelang von A nach B zu rennen und nicht weiterzukommen«, verdeutlicht Alexandra Böckel, Geschäftsführerin des Freiwilligenzentrums. Das »Solarlotsen«-Projekt sei »bürgerlich organisierter Wissenstransfer«, der dafür sorgen soll, dass in Gießen und Umgebung künftig mehr Strom auf Privatdächern produziert wird.

Klimaschutz und die lokale Gewinnung erneuerbarer Energien hätten gerade vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine und der Energiekrise noch zusätzliche Relevanz erhalten. Gleichzeitig sei man sich bei Gesprächen zwischen Bürgern, städtischen Vertretern und Fachleuten einig gewesen, dass das mit Abstand größte Potenzial in Gießen bei der Solarenergie liege, so Alexandra Böckel.

Dass die Universitätsstadt hier noch Nachholbedarf hat, geht auch aus dem Solar-Städteranking 2022 hervor. In der Liste, die »Selfmade Energy«, ein Vergleichsportal für Solaranlagen, erstellt hat, belegt Gießen lediglich den 1943. Platz von 2050 ausgewerteten Städten. Demnach wurden im vergangenen Jahr lediglich 113 Solaranlagen neu installiert, insgesamt finden sich auf 881 Gießener Dächern Module für die Stromerzeugung. Das Wachstum in Gießen liege damit unter dem bundesweiten Durchschnitt. Sehr kleine Photovoltaik-Anlagen (etwa auf Balkonen oder Wohnwagen) mit einer Spitzenleistung unter 1000 Watt Peak sowie inaktive Anlagen wurden bei der Erhebung ausgeschlossen.

»Viele Menschen wollen gerne eine Solaranlage auf dem eigenen Dach«, hat Brita Ratzel festgestellt. Doch der Aufwand könne abschrecken. Die Gießenerin wohnt ebenso wie Lothar Balling im Domino-Haus und freut sich, dass Waschmaschine und Co. in ihrem Zuhause nun mit vor Ort erzeugter Energie betrieben werden - und sie so ganz aktiv etwas für die Energiewende tun könne.

Das Freiwilligenzentrum sucht Menschen, die sich ehrenamtlich als »Solarlotse« engagieren wollen. Die erste digitale Schulung der Freiwilligen startet am Samstag, 4. März. Es folgen drei weitere Termine an den restlichen März-Samstagen, bei denen den künftigen »Solarlotsen« das nötige Rüstzeug für die spätere Beratung mitgegeben wird. Bereits am kommenden Mittwoch, 22. Februar, wird der Projektauftakt ab 18 Uhr im Pausenraum des Rathauses gefeiert. Interessierte können sich unverbindlich informieren.

Wer »Solarlotse« werden oder die kostenlose Beratung in Anspruch nehmen möchte, meldet sich beim Freiwilligenzentrum unter der Telefonnummer 0641/9722 5424 oder per E-Mail an koordination@freiwilligenzentrum-giessen.de.

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Die Ideengeber Brita Ratzel (l.) und Lothar Balling (r.) sowie Adjoa Gilsebach (2.v.l.) und Alexandra Böckel hoffen auf viele neue Anlagen dank der »Solarlotsen«. Foto: Pfeiffer © Pfeiffer

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