Hit-Garantie auf dem Schiffenberg

DJ Bobo ist einer der Top-Acts beim aktuellen Gießener Kultursommer. Den Fans macht er ein Versprechen.
Gießen. Eine lange Musikkarriere hatte DB Bobo gar nicht im Sinn, als ihm 1992 mit »Somebody Dance With Me« der erste Charterfolg gelang. 30 Jahre später steht die Eurodance-Ikone noch immer auf den großen Bühnen. Nach zwei Jahren Zwangspause macht der 54-Jährige am 3. September auch Station in Gießen. Und er schließt nicht aus, dass er beim Kultursommer auf dem Schiffenberg sogar ein paar neue Songs im Gepäck hat. Auf die bekannten Hits von »Pray« bis »Freedom« wird das Open-Air-Publikum dennoch nicht verzichten müssen. Im Interview spricht René Baumann, so sein bürgerlicher Name, über die Transformation seiner 90er-Jahre-Nummern ins Hier und Jetzt, das Älterwerden und den erfolgreichen Weg raus aus den Diskos.
Wie spricht man Sie eigentlich richtig an: Herr Bobo, Herr Baumann?
Das gibt es alles. Nichts davon hat sich wirklich durchgesetzt (lacht). Sag´einfach Du und René .
Du feierst aktuell Dein 30-jähriges Bühnenjubiläum. Hättest Du damals, Anfang der 90er, mit einer so langen Karriere gerechnet?
Ich glaube, ich wusste damals gar nicht, dass man so alt werden kann. Da denkst Du vielleicht ein Jahr in die Zukunft. Du lebst in der Gegenwart und überlegst gar nicht. Es war gut, so wie es war. Einfach eine schöne Zeit, die man gelebt hat, ohne sich Gedanken darüber zu machen, wie lange sie anhält. Das kam erst später, als man dann eine Firma hatte, Mitarbeiter und Verantwortung. Erst da wurde dann auch der Druck größer, dass man funktionieren muss. Ich schätze, das kam erst vier bis fünf Jahre nach dem ersten Erfolg, als mir bewusst geworden ist, dass ich nun ein Unternehmen habe und Schluss mit lustig ist. Um zur Frage zurückzukommen: Nein, ich hätte das nie gedacht, habe aber auch nicht darauf spekuliert. Das war außer der Reichweite meiner Gedanken.
Nun sind die 90er seit einiger Zeit voll im Trend. Künstler wie Blümchen oder Oli P. stehen wieder auf der Bühne. Du warst nie weg. Woran liegt das?
Wir haben relativ schnell gemerkt, dass wir es mit unserer Musik raus aus den Diskotheken und rein in die Hallen schaffen müssen, um nicht mit der Welle unterzugehen. Das ist bei jeder Musikwelle so, ob nun NDW oder Eurodance. Du spürst, wenn du Teil einer solchen Welle bist, weißt aber nicht, wie du Dich wehren kannst, damit Du nicht runtergespült wirst. Wir haben gecheckt, das Rezept ist wahrscheinlich, ein Publikum zu bekommen, das unabhängig von den Diskocharts da wäre. Da haben wir angefangen, größere Shows zu bauen und in ein Bühnenprogramm investiert, in Tanz und neue Sachen. So ist der Absprung in ein breites Genre gelungen, wir waren zum Beispiel auch bei »Wetten, dass?«. Eine große Öffentlichkeit hat uns kennengelernt, über die »Bravo« und die Tanzflächen hinaus.
Eure Bühnenshows sind seit jeher große Spektakel. Was erwartet die Zuschauer im Sommer?
Bei den Open Airs wäre es übertrieben, wenn ich sagen würde, dass wir mit den großen Shows kommen. Die Band ist dabei, die Sängerinnen und natürlich alle Hits. Aber die außergewöhnlichen Bühnenshows gibt es nur bei den Arenatouren, wo wir selbst mit 14 Sattelschleppern hinfahren. Bei den Festivals spielen wir auf der bestehenden Bühne, das ist in Gießen auch so. Wir stellen auf, was geht, und das sieht auch toll aus. Wir bringen außerdem noch Videocontent mit, aber es ist eine ganz normale Show. Da kann ich mich nicht mit Blumen schmücken, die es nicht gibt.
Eine Hallentour wird es nächstes Jahr wieder geben?
Genau, das ist dann die 30-Jahre-Tour.
Die auch verschoben werden musste?
Jein, sie ist nie angekündigt worden. Wir wollten in 2022 spielen, das stimmt. Wir haben dann aber hinter den Kulissen entschieden, dass wir pandemiebedingt lieber schieben, bevor wir die Daten überhaupt rausgeben. Das war sehr gut. Es gibt also keine Leute, die Tickets mit falschen Terminen haben, außer eben bei den Open Airs.
Wird es in Gießen auch neue Songs geben oder ist die Open-Air-Show ein reines Best Of?
Das ist eigentlich ein reines Best Of. Aber da Gießen am Ende der Festival-Saison ist, werde ich bis dahin vielleicht schon zwei bis drei neue Sachen haben. Euch wird’s wahrscheinlich erwischen. Am 3. September ist das neue Album fast fertig.
Zuerst hast Du aber Deine erfolgreichsten Songs noch einmal neu aufgenommen. Was hat sich durch diese Neuinterpretation verändert?
Gute Frage, auf die es schwierig ist, eine Antwort zu geben. Wir haben einfach mal ein bisschen herumprobiert: Wie könnte das Lied heute, so viele Jahre später, klingen? Aber das war eher experimentell. Wie würde man es 25 Jahre später machen? Das war unser Ansatz.
Gibt es ein Lied, das Du besonders gerne spielst?
Nein, es gibt eher solche, die einem nach der Zeit auf den Wecker gehen. Aber da wir nur noch alle zwei bis drei Jahre auf Tour gegangen sind, hatte ich dieses Phänomen nur am Anfang, in den ersten zehn Jahren vielleicht. Ich mag immer die neuen Sachen am liebsten, beim Publikum ist es allerdings genau umgekehrt. So geht es mir als Zuschauer übrigens auch: Lass mich in Ruhe mit Deinem neuen Gesäusel, spiel´ endlich Deine Hits (lacht). Phil Collins hat zum Beispiel mal »In The Air Tonight« nicht gespielt. Als ich nach dem Konzert nach Hause gefahren bin, habe ich gedacht: Irgendwas hat gefehlt ‹ Ich wusste aber nicht genau was. Und plötzlich ist es mir eingefallen: Das Lied hat gefehlt. Mist. Danach habe ich mir geschworen: Das mache ich nie. Das Publikum hat so etwas wie ein Anrecht auf die zehn größten Hits. Viele verbinden Emotionen mit den Liedern und kommen deswegen. Manchmal spielen wir die Songs in einem anderen Gewand oder anders interpretiert, aber wir spielen sie garantiert.
Waren Deine Kinder eigentlich schon einmal auf einer 90er-Jahre-Party?
Ja, mein Sohn, er wird bald 20. Vor der Corona-Zeit war er ab und zu auf 90er Partys. Das hat er mir zwar erzählt, es war für ihn aber nichts Außergewöhnliches. Ihm war klar, dass Musik vom Papi läuft. Er hat nur erwähnt, dass es da ja viele Titel gebe. Meine Kinder kennen das aber natürlich, denn sie sind schon als Babys mitgekommen.
Aus sicherer Quelle weiß ich, dass der Songtext von »Pray« damals, also Ende der 90er, an manchen Schulen sogar im Religionsunterricht aufgegriffen und analysiert worden ist.
Oha, die Armen (lacht).
War es denn beim Schreiben überhaupt Deine Intension, eine tiefere Auseinandersetzung mit dem Thema Religion zu erreichen?
Ich war schon immer vom Wesen her ein Weltverbesserer. Jemand, der an das Gute glaubt. Das hatte weniger religiöse Gründe, sondern den Hintergrund, dass wir mit der Musik in viele unterschiedliche Länder reisen durften. Wir waren fast überall, auf allen Kontinenten. Als Weltreisender bekommt man einen differenzierteren Blick auf die Dinge. Da ist diese Ungerechtigkeit, dass wir immer als richtig erachten, was nach unserer Religion oder unserem Verständnis richtig ist. Das muss in Äthiopien aber zum Beispiel nicht gelten. Insofern ist der Rap in »Pray« eine Aufzählung von Dingen, die einem eben auffallen, wenn man mit 27 durch die Welt reist.
Wie sieht es mit dem 40. oder vielleicht sogar 50. Bühnenjubiläum aus? Soll das auch noch gefeiert werden oder spielst Du manchmal mit dem Gedanken, Dich zur Ruhe zu setzen?
Mein Golf-Handicap ist noch nicht so gut, dass ich schon aufhören kann (lacht). Aber in der Tat stellt man sich diese Frage ständig, wenn man an einem gewissen Punkt der Karriere angekommen ist. Man beobachtet auch, was Kollegen machen. Da gibt es beide Richtungen. Solange ich das Gefühl habe, dass die Nachfrage beim Publikum groß ist, wir Spaß haben und das, was wir tun, nicht albern wirkt, möchte man gerne weiterspielen. Aber ich gehe da durchaus selbstkritisch heran. Der Tanzanteil ist mit 50plus beispielsweise viel kleiner geworden. Ich glaube, es ist immer eine Frage der Dosierung, wie man sich selbst darstellt, damit es glaubwürdig ist. Es ist ein schmaler Grat. Aufhören wird man dann, wenn die Leute das nicht mehr sehen wollen und man körperlich oder gesundheitlich nicht mehr kann. Einen Künstler muss man aber eigentlich immer von der Bühne prügeln, weil er das ja gerne macht, er geht nicht zur Arbeit. Für einen Künstler ist die Frage nach dem Aufhören daher meist unverständlich. Er denkt eher: Warum aufhören? Ich habe doch gerade erst angefangen.
Tickets für den Gießener Kultursommer auf dem Gelände des Klosters Schiffenberg sind unter anderem im Internet unter https://giessenerkultursommer. reservix.de/events erhältlich.