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Hohe Geldstrafe für Justizbeamten

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Wegen des Besitzes und Handels mit Anabolika, vor allem aber für einen schlechten Witz, den der Richter als »volksverhetzend« bewertete, muss ein vom Dienst suspendierter Justizvollzugsbeamter eine hohe Geldstrafe bezahlen. Archivfoto: Mosel © Jasmin Mosel

Ein Mitarbeiter der JVA Gießen muss 22 500 Euro zahlen. Er hatte nicht nur einen »schlechten Witz« über den Holocaust gemacht, sondern auch mit Dopingmitteln gehandelt.

Gießen. Mit einem harten Urteil endete am Donnerstag das Verfahren gegen einen Justizvollzugsbeamten der JVA Gießen, der wegen des Besitzes und gewerblichen Handels mit Dopingmitteln, aber auch wegen Volksverhetzung vor einem Schöffengericht am Amtsgericht Gießen angeklagt war. Der Angeklagte hatte am Holocaust-Gedenktag einen Witz über seine just an diesem Tag bei ihm eingegangene Gasrechnung auf seiner Facebook-Seite veröffentlicht und war daraufhin anonym, mutmaßlich von einem missgünstigen Berufskollegen, angezeigt worden. Bei der anschließenden Durchsuchung seiner Wohnung und seines Pkw durch den Staatsschutz wurden als Beifang größere Mengen Anabolika sichergestellt.

Der Angeklagte hatte am ersten Prozesstag erklärt, dass er als Bodybuilder die Präparate zum Eigenbedarf erworben oder an andere Kraftsportler abgegeben habe, denn: »Man hilft sich untereinander doch schon mal aus.«

Zeuge schweigt

Der nun geladene letzte Zeuge trug nichts mehr zur Wahrheitsfindung bei. Der Lieferant der Steroide, der gerade einen Kokain-Entzug macht, bevor er eine Freiheitsstrafe wegen Drogen- und Waffenhandels absitzen muss, machte von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch, um sich nicht selbst zu belasten, und wurde gleich wieder abgeführt.

Staatsanwältin Mareen Fischer rückte in ihrem Plädoyer vom Vorwurf des gewerbsmäßigen Handels mit Dopingmitteln ab. Dafür seien die sichergestellten Mengen in der Wohnung und in einem an den Angeklagten adressierten und vom Zoll abgefangenen Päckchen wohl zu gering. Sie forderte aber wegen des Handels mit und des Besitzes von illegalen Substanzen sowie Volksverhetzung eine Bewährungsstrafe von acht Monaten. Verteidiger Tomasz Kurcab plädierte dagegen für eine Geldstrafe in Höhe von 110 Tagessätzen wegen des Besitzes verbotener Substanzen, aber in Sachen Handel und Volksverhetzung für einen Freispruch. Noch über der Forderung der Staatsanwaltschaft blieb dann das Urteil des Schöffengerichts unter dem Vorsitz von Dr. Dietrich Claus Becker.

Insgesamt 22 500 Euro muss der Angeklagte zahlen, der in allen vier Anklagepunkten, dem Besitz, Handel und versuchten Erwerbs illegaler Anabolika sowie der Volksverhetzung schuldig gesprochen wurde. Während das Gericht die Dopingmittelvergehen mit 210 Tagessätzen à 75 Euro einpreiste, wurde die Volksverhetzung mit fünf Monaten bestraft. Weil der Angeklagte aber nicht vorbestraft und das Gericht knapp unter der Schwelle von sechs Monaten blieb, konnte dieser Teil des Urteils in eine Geldstrafe umgewandelt werden. Zu deren hohem Betrag kommen zudem die Verfahrenskosten, die der vom Dienst suspendierte Justizbeamte zu zahlen hat.

Mit dem ging der Vorsitzende dann in seiner mündlichen Urteilsbegründung hart ins Gericht. Bei jedem Urteil hoffe er ja auf Einsicht bei den Betroffenen, beim Angeklagten habe er da aber »begründete Zweifel«. Seine Aussagen seien von Larmoyanz und Wehleidigkeit geprägt gewesen. Schuld seien bei ihm immer die anderen. Seine Vermutung, das an ihn adressierte Päckchen mit Steroiden aus Kroatien hätten andere bestellt, um ihm zu schaden, sei abenteuerlich.

Absolut nicht hinnehmbar seien die Rechtfertigungen des Angeklagten, »den guten alten Gas-Witz« als Augenblicksversagen zu entschuldigen. Der sei kein Witz, sondern eine Straftat. Auch wenn dem Facebook-Post keine gefestigte Haltung zugrunde liege - ein als Zeuge befragter Staatsschützer hatte am ersten Prozesstag ausgesagt, dass bei der Durchsuchung der Wohnung und des Computers des Angeklagten keine Hinweise gefunden wurden, die auf eine gefestigte rechtsradikale Gesinnung hindeuten würden - sei die Strafrechtsnorm der Volksverhetzung erfüllt.

Verteidiger gerüffelt

Bei dieser Gelegenheit rüffelte Becker auch noch den Verteidiger, der die Geduld des Gerichts mit seinen Versuchen der Bagatellisierung dieser Tat strapaziert habe, und schlug dann den großen Bogen zur aktuellen politischen Lage im Land. Fälle wie die des Angeklagten seien die Probleme, die wir derzeit hätten, »weil wir im Land politische Arme haben«, die die Grenze des Sagbaren verschieben würden. Renate Künast als »Schlampe« zu bezeichnen, sei keine Meinungsäußerung, sondern eine Straftat, spielte Becker auf ein Verfahren in Berlin an, das bundesweit Schlagzeilen gemacht hatte. Es gebe in unserem Rechtsstaat klare Grenzen des Sagbaren und die müssten wieder mehr geachtet werden. »Das mag man anders sehen können, ich mag es nicht«, betonte der Vorsitzende.

»Sie werden demnächst noch vor einem weiteren Gericht stehen«, gab Becker dem angeklagten Justizbeamten mit auf den Weg, der sich auch noch dienstrechtlich verantworten muss. »Sie sollten da ihre grundsätzliche Haltung zu den Ihnen gemachten Vorwürfen noch einmal überdenken.«

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