Hohes handwerkliches Niveau

Gießen . Ein exquisites Musikvergnügen erlebten die Besucher des Basilikakonzerts am Sonntag auf dem Schiffenberg. Die Cellistin Anna-Lena Perenthaler und der Pianist André Dolabella spielten unter dem Titel »Pierrot« ein Programm mit Werken von Villa-Lobos, Debussy, Poulenc und Guarnieri. Sehr hohes handwerkliches und expressives Niveau sorgten für ein außergewöhnliches Konzert.
Elektrisches Piano
Es war eine Entdeckung der Leidenschaft. Mit einem Wermutstropfen. Für Dolabella stand kein Flügel oder Klavier bereit, sondern er musste auf einem elektronischen Piano musizieren, was erhebliche klangliche Einbußen zur Folge hatte. Zunächst jedoch machte Cellistin Perenthaler einen herausragenden Eindruck. Ihr bildschöner, enorm ausdrucksstarker Ton nahm die Zuhörer sofort restlos gefangen. Hinzu kam noch ihre offenkundig sehr gute Disposition.
Los ging es mit Heitor Villa-Lobos »Trenzinho do Caipiria« und einer zugänglichen Klavier-Anmutung. Ungewöhnlich: Dieser Zug kam im Boogie-Woogie-Rhythmus dahergerollt, das hatte man nicht erwartet. Es blieb nicht die einzige Überraschung dieses Morgens. Das Cello übernahm mit schnellen Läufen den Zugbetrieb und brachte den ganzen Saal in Schwung. Mit einem Topabschluss war die Stimmung gesichert.
Perenthaler hatte sich ein paar szenische Elemente zurechtgelegt, mit denen sie das Programm immer wieder ergänzte und aufwertete. Das folgende Lied »Pierrot« von Claude Debussy leitete sie mit gepfiffenen Reverenzen an Bechets »Au claire de la lune« ein, dessen Motiv im Titel enthalten ist. Das Cello setzte diesmal dramatische Akzente und nahm mit weiterhin souverän kantablem Klang für sich ein. Es gab ein lebhaftes Interagieren zwischen den Stimmen und eine wunderbar nachdenkliche Phase.
Das erste Glanzlicht war (unter der Überschrift »Pierrot und der Mond«) das Allegro aus Debussys Sonate für Cello und Klavier in d-Moll (1915). Spielfreudig eröffnet am Cello, folgten attraktive Wechselspiele in einem fröhlichen Rhythmus. Vorzüglich gesetzte Akzente, ebenso realisierte dramatische Kontraste, gefolgt von einem witzigen Schlusspunkt: Das war großartig; riesiger Beifall des inzwischen bereits enthusiasmierten Publikums.
Mitreißender Ausdruck
Perenthaler verströmte reichlich Energie, musizierte leidenschaftlich und auf untadeligem höchsten Niveau, vor allem jedoch mit mitreißender Schönheit des Ausdrucks. Es gab auch konzentrierte, reflexive Momente, etwa mit der Sonate für Cello und Klavier FP143 (Allegro) von Francis Poulenc. Perenthaler setzte verschiedene szenische Akzente, stellte etwa ein Glas mit einem Blümchen auf die Bühne oder sang in einem Titel einfach, was Charles Trenets (1913-2001) »Au claire de la lune« zu etwas ganz Besonderem machte. Zumal sie dabei auch eine Trinkszene in der Kneipe nachspielte - alles ganz natürlich, und später mit besonders fragilen musikalischen Momenten und einer formidablen dramatischen Steigerung. Auch hier agierte sie zuweilen traumhaft sicher ganz leise, direkt am Abriss des Tons.
Inzwischen stellte sich Dolabella akustisch als adäquater Begleiter heraus, nur behindert vom inferioren Klang der Lautsprecher, der allerdings das gesamte Ereignis in eine Schieflage versetzte. Durch die auch im Heft notierten und eingesprochenen Zwischenüberschriften zu den einzelnen Titeln und Perenthalers Aktionen gewann das Konzert einen stimmigen theatralischen Charakter.
Zum Abschluss mit den Sätzen 2-4 aus Poulencs Sonate für Cello und Klavier mit wunderbarer Dynamikdifferenzierung zeigte das Duo, zu welch expressiver Bandbreite und exzellenter Geschlossenheit es fähig war. Von wunderbar tänzerisch über ziemlich frei, fast schon wild, ging es da (die inzwischen weiß geschminkte Cellistin schaute lustvoll etwas mephistophelisch drein), es gab einen wunderbaren Wechsel zwischen Elan und Feinzeichnung - ein Genuss.
Eine schwelgerische Zugabe schloss den guten Morgen ab: Perenthaler schwebte durch die Musik, das Publikum schwebte mit.