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Hymnische Klänge verzücken 600 Fans

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Von: Frank-Oliver Docter

»Barclay James Harvest feat. Les Holroyd« sorgten am Montagabend für eine fast ausverkaufte Kongresshalle. Für den 75-jährigen Komponisten von Welthits war es ein Wiedersehen mit Gießen.

Gießen . Als Les Holroyd im September 2017 das letzte Mal in Gießen zu Gast war, schüttete es auf dem Schiffenberg im zweiten Konzert-Teil wie aus Kübeln. Trotzdem ging damals kaum ein Zuhörer frühzeitig. Am Montagabend dürfte das in der mit 600 Besuchern nahezu ausverkauften Kongresshalle kein Einziger getan haben. Denn wer weiß, ob der Mitgründer der vor allem in den 70er und 80er Jahren weltweit erfolgreichen britischen Band »Barclay James Harvest« in Zukunft noch einmal in Mittelhessen auftreten wird. Schließlich ist Holroyd mittlerweile schon 75.

»Happy Birthday«

Seinen jüngsten Geburtstag hatte er just einen Tag vor dem Konzert in Gießen gefeiert. Und so stimmten zwischen zwei Songs auf einmal mehrere Fans im Publikum »Happy Birthday« an, woraufhin der halbe Saal mitsang.

Les Holroyd schien sichtlich überrascht und bewegt von dem Geburtstagsständchen zu sein und bedankte sich bei allen mit einem leise ins Mikrofon gehauchten »Thank you«. Laute Töne sind ohnehin nicht die Art des Briten. Die Songs von »BJH« - wie die oft genutzte Abkürzung für den Bandnamen lautet - zeichnen sich vielmehr durch eine Mischung aus ruhigeren rockigen und symphonisch-klassischen Elementen aus. Gitarren-, Bass- und Schlagzeug-Spiel sind hierbei von dicken Synthesizer-Teppichen unterlegt. Was dem Ganzen eine enorme Klangfülle verleiht.

Überdies sprengen die Song-Längen mit zumeist mehr als fünf oder sechs Minuten die üblichen Hörgewohnheiten. Instrumentalen Passagen und Soli einzelner Band-Mitglieder wird breiter Raum gewährt, live noch mehr als auf Platte, was auch den Reiz dieses Auftritts ausmachte. Diese Markenzeichen der bereits 1967 gegründeten Progressive Rock-Band - 1998 folgte die Aufspaltung in die beiden Gruppen »BJH feat. Les Holroyd« und »John Lees’ BJH« - zeigten sich gleich zu Konzertbeginn. Während das Licht in der Halle langsam gedimmt wurde, strömten immer lauter werdende sphärische Klänge durch den Raum.

Schon als im Halbdunkel der Bühne die Umrisse von Les Holroyd erkennbar wurden - dessen volle Wallemähne im Vergleich zu früher kaum verändert scheint, nur eben grauer geworden ist -, begannen viele zu jubeln. Erste Höhepunkte der abwechslungsreichen Songliste aus mehreren Jahrzehnten von Holroyds Schaffen waren dann »Child of the universe« und »Victims of circumstance«.

Den international wohl größten Hit von »Barclay James Harvest«, das epische »Hymn«, hatte sich der Brite für den Schluss aufgehoben. Als er auf seiner Akustikgitarre die ersten Takte spielte, sprang mehr als die Hälfte des Saals auf, um mitzuklatschen. Andere Zuhörer schalteten die Lichtfunktion ihres Smartphones ein und schwenkten es über den Köpfen im Rhythmus der Musik. Es herrschte Gänsehaut-Stimmung.

Kaum war der letzte Ton von »Hymn« verklungen und hatten die Musiker die Bühne verlassen, setzten die »Zugabe, Zugabe«-Rufe ein. Nach wenigen Minuten kamen Les Holroyd und seine Kollegen zurück und spielten mit »Tonight’s gonna be the night« den wohl rockigsten Song des Abends. Dem schloss sich dann noch »Life is for living« an, das der Begeisterung des Publikums nach zu urteilen zu den beliebtesten Stücken der Gruppe gehören dürfte. »Fantastisch, vielen Dank«, richtete sich der Bandleader danach auf Deutsch an seine Zuhörer, um schließlich die Bühne unter weiter anhaltendem Klatschen zu verlassen. Erst das in der Halle angehende Licht sollte dem ein Ende bereiten.

Einst vor 250 000

Obwohl die erfolgreichste Zeit von Les Holroyd lange her ist, erfreuen sich seine Musik und die von »Barclay James Harvest« auch heute noch immer großer Beliebtheit. So bringt ein britisches Plattenlabel seit einigen Jahren nach und nach alle seit 1970 erschienenen Alben der Band neu heraus. Jedes davon remastert, also mit verbessertem Klang versehen, sowie mit Bonustracks und teils auch mit alten Konzertaufnahmen auf DVD oder Blu-Ray.

Höhepunkt jener Tage war wohl der »BJH«-Auftritt im August 1980 vor dem Reichstagsgebäude in Berlin. Die damalige Besucherzahl soll Schätzungen zufolge bei bis zu 250 000 Menschen gelegen haben. Wovon ein Großteil von der Ost-Seite über die Mauer zuhörte. Auch wenn es jetzt in Gießen »nur« 600 waren, dürfte das Konzert den Besuchern genauso gut in Erinnerung bleiben.

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