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»Ich hatte riesiges Glück«

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Von: Eva Pfeiffer

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Sebastian Rückert (r.) treibt gerne und viel Sport. Nach seiner Hodenkrebsoperation musste er sechs Wochen darauf verzichten. Foto: Rückert © Rückert

Bei Sebastian Rückert wurde per Zufall ein Hodentumor festgestellt. Nun will der Student aus Gießen andere Männer für die Vorsorge sensibilisieren

Gießen . Eigentlich ist Sebastian Rückert nur wegen einer leichten Entzündung zum Urologen gegangen, der ihm eine Salbe verschreibt - doch bei der Untersuchung wird auch klar: In seinem linken Hoden gibt es eine auffällige Verhärtung. Hodenkrebs. »Ich habe mich vorher nie selbst abgetastet«, erzählt der 30-Jährige, der an der Justus-Liebig-Universität Ernährungswissenschaften studiert. Doch als der Urologe ihm zeigt, worauf er achten muss, fühlt er den Tumor auch. »Es war eine harte Struktur, die sich anders anfühlte als der Hoden selbst. Der Tumor war etwa so groß wie eine Schokolinse.« Der Student geht offen mit seiner Diagnose um und hofft, so auch andere Männer dafür zu sensibilisieren, sich regelmäßig abzutasten oder einen Termin beim Urologen auszumachen. »Man sollte lieber einmal zu viel zum Arzt gehen. Vorsorge ist wichtig und man hat Klarheit.«

»Kein Todesurteil«

Keine drei Monate ist es her, dass Sebastian Rückert den Termin beim Urologen hatte - es war sein erster Besuch in der Praxis. Als der Arzt die Verhärtung spürt, macht er einen Ultraschall. »Es sah verdächtig aus, also hat er mich ins Krankenhaus verwiesen.« Und dann geht alles ganz schnell: Am Universitätsklinikum Gießen und Marburg (UKGM) wird erneut ein Ultraschall gemacht, wieder deutet das Ergebnis auf einen Tumor im linken Hoden hin. Ein OP-Termin für Ende November wird angesetzt.

Was ging dem jungen Mann da durch den Kopf? »Hodenkrebs ist kein Todesurteil, das haben mir sowohl mein Urologe als auch die Ärzte im Krankenhaus gesagt. Diese Krebsart ist sehr gut heilbar. Ich habe mich sowohl in der Praxis als auch in der Klinik sehr gut aufgehoben gefühlt.«

Eine Schnellbiopsie bestätigt den Verdacht, der Tumor ist bösartig. Um den befallenen Hoden zu entfernen, wird ein Schnitt in der Leiste gemacht. Zuvor wurde der Patient über die Möglichkeit einer Silikonprothese informiert und hat zur Sicherheit Sperma einfrieren lassen. In der Regel könne aber der verbleibende gesunde Hoden sowohl die Spermien als auch die Hormonproduktion vollständig alleine bewerkstelligen.

Eine Nacht bleibt Sebastian Rückert nach der Operation noch im UKGM, dann kann er wieder nach Hause - und auch dem schon zuvor geplanten Ausflug nach Berlin steht nichts im Wege. »In den ersten Tagen danach bin ich wie ein Cowboy gelaufen«, sagt er und lacht. Beim Lachen oder Husten schmerzt die Leistengegend, sechs Wochen lang muss er auf Sport verzichten und darf nicht schwer heben.

Etwa zehn Tage nach der Operation wird eine Computertomographie gemacht und der Student bekommt schnell Entwarnung: Der Krebs hat nicht gestreut, Bestrahlung oder Chemotherapie sind nicht notwendig. Auch die Untersuchungsergebnisse des anderen Hodens sind unauffällig. Alle drei Monate steht für den 30-Jährigen nun jedoch eine Nachsorgeuntersuchung auf dem Plan, damit eine mögliche erneute Tumorbildung früh erkannt wird.

Sebastian Rückert kommt ursprünglich aus Weimar in Thüringen und ist für sein Studium nach Gießen gezogen. Mit seinen Freunden hat er nach seiner Diagnose viel über das Thema Hodenkrebs gesprochen - und dabei auch festgestellt, dass sich kaum einer von ihnen damit auseinandersetzt und sie generell selten zum Arzt, insbesondere zum Urologen, gehen. »Drei von ihnen haben anschließend direkt einen Termin ausgemacht. Ich hatte riesiges Glück, dass mein Urologe mich abgetastet hat, obwohl ich wegen eines Hautproblems in seiner Sprechstunde war.«

Bewusster leben nach Diagnose

Zwar wurde sein Tumor früh entdeckt, eine Krebsdiagnose sei jedoch immer auch eine psychische Belastung. Er selbst versuche nun, noch bewusster zu leben und sich auf das zu konzentrieren, was ihm wirklich wichtig ist. »So eine Diagnose ist auch ein guter Gradmesser. Man macht sich immer wegen so vielen Dingen Stress. Aber die Gesundheit ist viel wichtiger als zum Beispiel eine nicht bestandene Prüfung.«

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Hodentumore sind vergleichsweise selten, bei jüngeren Männern aber die häufigste Krebsart. Symbolfoto: dpa/Andreas Arnold © Red

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