IHK möchte »Teil der Lösung« sein

Die Industrie- und Handelskammer Gießen-Friedberg feierte ihr stolzes Jubiläum mit einem großen Festakt mit Volker Bouffier als Hauptredner und zahlreichen internationalen Gästen.
Gießen . »Ich kann Sie nur ermuntern, so weiterzumachen«, wandte sich Volker Bouffier an die mehreren Hundert Gäste beim Jubiläums-Festakt der Industrie- und Handelskammer (IHK) Gießen-Friedberg am Dienstagabend in der Kongresshalle. Der erst vor wenigen Wochen aus dem Amt geschiedene langjährige hessische Ministerpräsident attestierte der 1872 gegründeten Kammer, die mittlerweile etwa 50 000 Mitgliedsunternehmen zählt, eine »150-jährige Erfolgsgeschichte«. Und Bouffier muss es wissen, schließlich begleite er das Wirken der IHK »schon seit über 40 Jahren in verschiedenen Funktionen«, berichtete der Gießener. Während es Bouffier nicht allzu weit von seinem Zuhause hatte, waren die internationalen Festgäste von weit her angereist. So gehörten zu den Eingeladenen auch eine Delegation aus Nigeria, wo die IHK wie in Kenia und Senegal einiges zur Aus- und Weiterbildung der Menschen tut, sowie Gäste aus Brasilien, China, Großbritannien, Portugal und USA, um nur ein paar der Herkunftsländer zu nennen.
Nach einem Unternehmensfilm, in dem zahlreiche Vertreter der heimischen Wirtschaft und des gesellschaftlichen Lebens dem »Geburtstagskind« gratulierten, betonte IHK-Präsident Rainer Schwarz, dass man »sehr stolz auf unsere Unternehmen« ist. Darunter befänden sich »viele ›Hidden Champions‹", teils sogar Weltmarktführer, »von denen viele gar nicht wissen, dass es sie gibt«, verdeutlichte Regierungspräsident Dr. Christoph Ullrich in der folgenden Podiumsdiskussion.
Fachkräftemangel
Moderiert von Werner D’Inka, dem ehemaligen Herausgeber der FAZ, rief Ehrenpräsident Dr. Wolfgang Maaß die Gründe für die Fusion im Jahr 1999, einem der wichtigsten Schritte in der IHK-Geschichte, in Erinnerung. Demnach hätten unter anderem »verstärkte Beratungsbedarfe und die steigende Bedeutung der EU« zu dieser von der Gießener Kammer initiierten Entscheidung geführt, schilderte Maaß. Ein Beispiel für diese Beratungsbedarfe hatte Sina Lupp parat: So habe ihr Familienunternehmen, die Adolf Lupp GmbH + Co. KG, erst jüngst dank der Hilfe von IHK-Experten die Ausbildung von Bauzeichnern bei sich neu etabliert, nachdem man aufgrund des Fachkräftemangels bei der Suche auf dem Markt nicht erfolgreich gewesen war.
Passend hierzu unterstrich Schwarz das Bestreben der IHK, »Teil der Lösung« von solchen und anderen Unternehmerproblemen sein zu wollen. Schließlich verstehe man sich als »Teil der regionalen Wirtschaft« und möchte wie bei den eigenen Mitgliedern auch Ansprechpartner für die Politik sein. »Damit diese Region immer vorne dabei ist, zum Segen aller«, bekräftigte der Präsident. Diese »organisierte Willensbildung«, um auch »Einfluss auf die Gestaltung unseres gesellschaftlichen Lebens zu nehmen«, wertete Bouffier als eine der großen Stärken der IHK Gießen-Friedberg. Daher seien die Kammern »unverzichtbar« und ebenso ein geschätzter »Partner der Politik«, hob der Christdemokrat hervor. Für das Engagement der IHK wie auch für andere Initiativen wie etwa das Voranbringen der Dualen Ausbildung übermittelte Bouffier allen Beteiligten seinen herzlichen Dank. Wohl wissend, dass es »eine riesige Herausforderung ist, in einer solchen Zeit die Zukunft zu gestalten«. Denn für die wirtschaftliche Entwicklung sei die jetzige Kombination aus höheren Energiepreisen durch den Ukraine-Krieg, Corona-Pandemie, Klimaschutz-Maßnahmen und »einer Inflation wie seit 40 Jahren nicht mehr« geradezu »toxisch«. »Dieser Krieg verändert alles«, zeigte sich Bouffier besorgt.
Beim internationalen Teil des Festabends, in dem es um die IHK-Engagements in Nigeria (seit über 15 Jahren), Kenia (acht Jahre) und Senegal (neu hinzugekommen) ging, vermittelte zunächst ein Filmbeitrag einen Einblick. »Die berufliche Qualifizierung der Menschen ist das A und O«, um den unter starker Armut und Fachkräftemangel leidenden Ländern zu helfen, machte Hauptgeschäftsführer Dr. Matthias Leder deutlich, der für diese Projekte bei der IHK verantwortlich zeichnet. Was im Falle von Nigeria »in zwei Klassenräumen« begann, hat mittlerweile zu rund 1000 ausgebildeten Fachkräften und etwa 700 geschulten Ausbildern geführt. Die in diesen afrikanischen Ländern mithilfe von IHK und deutschen Firmen etablierte Duale Ausbildung »gibt jungen Menschen eine Lebensperspektive«, betonten die nigerianische Unternehmerin Iyalode Alaba Lawson und ihr Landsmann Stephen Awoyele, der lange Zeit als Projektkoordinator wirkte. Matthias Leder erwies sich bei alldem zur Überraschung von so manchem Zuhörer als wahres Sprachtalent. So dolmetschte er nicht nur die englischen Antworten, sondern begrüßte andere Angereiste auch auf Portugiesisch.
Mit Blick auf den heimischen IHK-Bezirk, der sich über die Landkreise Gießen, Vogelsberg und Wetterau erstreckt, sprach Bouffier von einer »Region, die viel Potenzial hat«. Hierzu brauche es »Menschen, die Zukunft gestalten wollen«. Eine Fähigkeit, die man bei der IHK Gießen-Friedberg immer wieder aufs Neue beweise. Zum Schluss seiner Rede äußerte Bouffier dann noch einen Wunsch: »Wir müssen endlich dazu kommen, dass die akademische und berufliche Ausbildung als gleichwertig angesehen werden«, forderte er. Um kurz danach mit stehenden Ovationen bedacht zu werden. Der offizielle Teil des Festakts ging dann direkt in den gemütlichen mit Buffet und Getränken über. Beim Verlassen der Kongresshalle bekam schließlich jeder Gast eine mit allerlei nützlichen und leckeren Jubiläumsgeschenken prallgefüllte Tasche überreicht.
Anlässlich ihres Jubiläums hat die IHK Gießen-Friedberg eine rund 130-seitige, reich bebilderte Festschrift herausgegeben. Neben einem Blick in die Geschichte der Unternehmer-Mitmachorganisation stellen sich darin zahlreiche Mitgliedsunternehmen verschiedener Branchen aus dem IHK-Bezirk vor. Die kostenfreie Festschrift ist online unter www.ihkgifb.de/Festschrift zu finden, die Print-Version ist auf Anfrage erhältlich bei Ina Hillebrecht, per E-Mail an: hillebrecht@giessen-friedberg.ihk.de.
Darüber hinaus steht nun auf https://www.ihk.de/giessen-friedberg/ eine digitale Chronik in Form eines Zeitstrahls, der anhand wichtiger Daten die wechselvolle Geschichte von der Handelskammergründung 1872 bis heute darstellt. (fod)