Illegalem Glücksspiel auf der Spur

Die Polizei in Mittelhessen kontrolliert Spielautomaten. Andere Präsidien interessieren sich für den in Gießen entwickelten Ansatz.
Gießen. Als sich Kriminalhauptkommissar Andreas Erb und seine Kollegen im Jahr 2020 dem illegalen Glücksspiel zuwenden, ist das Deliktfeld noch weitgehend unbekannt. Das hat sich durch die Arbeit der Ermittler im Projekt und in der BAO »Spektrum« mittlerweile geändert. »Ende des vergangenen Jahres hat Innenminister Peter Beuth das Präsidium besucht. Dabei haben wir ihm unsere BAO ›Spektrum‹ vorgestellt. Inzwischen ist es so, dass wir Anfragen aus anderen Präsidien und Kommunen haben, beispielsweise auch aus Berlin. Es freut uns natürlich, dass unsere Arbeit so positiv aufgenommen wurde«, sagt Polizeisprecher Jörg Reinemer. »Bislang haben wir über 300 illegale Spielautomaten sichergestellt. 70 Verfahren haben wir bisher auf den Weg gebracht«, ergänzt Erb, Leiter des Zentralkommissariates 30 für die Bereiche organisierte Kriminalität, Bandenkriminalität, Prostitution und Rockerkriminalität.
Vermischung mit Sportwetten
Eigene Ermittlungen und Hinweise aus der Bevölkerung sind es, die die mittelhessische Polizei 2020 tiefer in den Bereich illegales Glücksspiel eintauchen lassen. »Wir haben schnell festgestellt, dass die großen Spielhallen, die von Merchandiseunternehmen betrieben werden, nicht das Problem sind. Es sind eher die kleinen Spielhallen wie sie sich in jeder Gemeinde in Mittelhessen finden«, sagt Erb. In der Regel dürften in diesen Läden zwei Geldspielautomaten stehen. »Tatsächlich sieht es aber anders aus. Wir sind häufig auf eine Vermischung mit Sportwettenvermittlungsstellen gestoßen, was illegal ist. Oder wir haben illegale Geräte gefunden«, führt der Kriminalhauptkommissar aus.
Ein regelkonformes Gerät habe grundsätzlich eine Zulassung. Sie gelte vier Jahre lang. »Nach zwei Jahren muss sie allerdings überprüft werden. Dann kommt ein spezieller Gutachter, der am Ende sein Siegel anbringt. Dann darf der Automat nochmals zwei Jahre bespielt werden. Nach insgesamt vier Jahren verliert er eigentlich seine Gültigkeit und muss zurück ins Werk«, schildert der Ermittler das gesetzeskonforme Vorgehen. Im Werk würden technische Anpassungen vorgenommen, eine neue Software installiert oder aber das Gerät vernichtet. »So ein Automat kostet in der Anschaffung um 10 000 Euro. Was macht der auf Gewinn fixierte Mensch? Er vernichtet das Gerät nicht und betreibt es weiter, dann allerdings illegal«, erklärt der Kommissariatsleiter. Er sei mit seinen Leuten auf zahlreiche illegale Geräte gestoßen, die zumeist auch so manipuliert seien, dass der rechtlich vorgeschriebene Maximalverlust von 60 Euro pro Stunde ausgeschaltet ist. Erb: »Diese illegalen Geräte sind leider sehr beliebt. Denn wenn man nur 60 Euro verlieren kann, kann man dementsprechend ›nur‹ wenig gewinnen. Der geneigte Spieler, der spielsüchtig ist, sucht aber den Kick. Der Kick sind nicht 60 Euro, sondern hunderte oder tausende Euro.« Neben den Spielern gehören auch Kommunen zu den Geschädigten illegaler Automaten.
Zusammenarbeit mit anderen Ämtern
»Geldspielautomaten unterliegen grundsätzlich der Gewerbesteuer oder der Glücksspielsteuer. Jede Kommune kann einen Satz festlegen. Er variiert zischen fünf und sieben Prozent. Der Betreiber des Automaten muss einen Kassenstreifen ausdrucken. Den bringt er zu dem Amt, bei dem er seine Steuer bezahlt«, erläutert der Ermittler. Ein illegales Gerät sei dagegen unbekannt und deshalb nicht besteuert. Sechs Schiffscontainer könne man mittlerweile mit beschlagnahmen illegalen Spielautomaten aus ganz Mittelhessen füllen. »Wir sind jetzt auch soweit, dass die Staatsanwaltschaft Automaten zur Vernichtung freigibt.« In der Hochphase der Arbeit von »Spektrum« seien acht bis neun Kollegen und die Kontrollgruppe der Polizeidirektion Gießen beteiligt gewesen. »Und wir hatten regelmäßig Bereitschaftspolizei dabei.« Besonders wichtig sei die Zusammenarbeit mit Gemeinden, Landkreis und Regierungspräsidium. Wichtig auch wegen der Konsequenzen für eine illegale Spielhalle: »Nur diese Partner von den anderen Behörden sind in der Lage, Gewerbe zu untersagen.«
Insgesamt sei das Projekt »Spektrum« äußerst erfolgreich gewesen. »Wir haben bei jeder Kontrolle gravierende Ordnungswidrigkeiten oder auch Straftaten feststellen müssen.« Das Projekt sei auf ein halbes Jahr ausgelegt gewesen, dann aber auf ein Jahr verlängert worden. »Ursprünglich war es auf den Landkreis Gießen und vier Gemeinden begrenzt. Wir haben es dann in alle Direktionen gebracht und die Kollegen vor Ort fit gemacht.« Mittlerweile arbeiteten in jeder Direktion geschulte Kollegen mehr oder weniger eigenständig. »Wir haben hier bei uns in Gießen noch eine Zentralstelle, die Schulungsmaßnahmen organisiert, und einen Überblick hat, wenn verdächtige Personen in den Bereichen verschiedener Direktionen auftauchen.« Mittlerweile seien einige Verfahren gelaufen und »wir haben kriminelle Strukturen festgestellt, die bis ins Ausland gehen«, bilanziert der Kriminalhauptkommissar.