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Im Einsatz für Babys im Waisenhaus

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Ein Selfie mit den Schützlingen: Für Lisa Brück gab es im Waisenhaus auch viele lustige Momente. Foto: Brück © Brück

»Zwei Monate, die ich nie vergessen werde«, sagt Lisa Brück, die mit ihrem Mann, dem Gießener Unfallchirurg Eckhard Brück, in Tansania medizinische Hilfe geleistet hat.

Gießen. Tansania ist ein reiches Land. Im übertragenen Sinne natürlich. Reich an grandiosen Landschaften, reich an besonders wilder und üppiger Fauna. Und reich an Naturschönheiten. Auf Sansibar und 60 weiteren vorgelagerten Inseln im Indischen Ozean befinden sich die atemberaubendsten tropischen Strände der Erde. Das Dach Afrikas, der Kilimandscharo, bietet unvergessliche Touren. Unterhalb des Ngorongoro-Kraters leben die größten Raubtierherden der Welt. Und der Serengeti-Nationalpark zählt mit seinen vielen Huftieren zu den bedeutendsten Naturwundern Ostafrikas.

Doch Tansania ist auch ein bitterarmes Land. Den Menschen fehlt es an Arbeit. Das Pro-Kopf-Einkommen beträgt im Schnitt nicht einmal 50 Euro im Monat. Gut 15 der rund 60 Millionen Einwohner leben unterhalb der Armutsgrenze. Was auch die neue Regierungschefin Samia Suluhu Hassan, die eine zentralstaatlich regierte Präsidialrepublik anführt, nicht in den Griff bekommt. Und eine monatelange, durch den Klimawandel verursachte Dürre, die die Regenzeit quasi abgelöst hat, nahm den Massai, die durch die Steppe ziehen, die Chance, etwas anbauen zu können.

Auch wenn das Land, in dem Dodoma die Hauptstadt und Daressalam den Regierungssitz bilden, einer der größten Exporteure von Gold und Diamanten ist, wäre es ohne Tourismus, vor allem aber ohne unbürokratische, selbstlose und private Unterstützung aus dem Ausland, am Ende. Was den Gießener Unfall- und Handchirurgen Dr. Eckhard Brück und seine Frau Lisa dazu bewogen hat, anzupacken, zu helfen, Gelder zu beschaffen, vor allem aber Zeit zu investieren, um einen kleinen Beitrag zu leisten, große Not zu lindern.

Über Umwege von Projekt erfahren

Dass ihre Wahl auf Tansania fiel, war dabei eher einem Zufall geschuldet. »Mein Ziel war es, etwas Gutes zu tun und freiwillig irgendwo anzupacken«, berichtet Lisa Brück. »Ich habe gegoogelt, was ich tun könnte und bin von Angeboten fast erschlagen worden. Eine Freundin aus Nordhorn hat mir dann davon berichtet, dass sie wiederum eine Bekannte habe, die an einem Projekt in Tansania beteiligt sei. Das schien mir seriös.« Also besuchte die gebürtige Ungarin, die aus Kiskunmajsa bei Szeged stammt und seit gut 30 Jahren in Deutschland lebt, Englisch-Kurse, kümmerte sich um die Formalitäten sowie die notwendigen Impfungen und beantragte schließlich ein Visum, um als Volontärin arbeiten zu dürfen.

Acht Wochen verbrachte die 59-Jährige schließlich im Cradle-of-Love-Baby-Home, einem Baby-Waisenhaus in der Nähe der Stadt Arusha unweit des Kilimandscharo-Flughafens. »Es waren zwei Monate, die ich nie vergessen werde, die mich nachhaltig beeindruckt und geprägt haben, die mir aber vor allem auch gezeigt haben, dass meine Unterstützung nicht mit einem einmaligen Besuch enden darf«, erklärt Lisa Brück, die die Kinder - alle zwischen null und drei Jahren - in ihr Herz geschlossen hat.

Zusammen mit Niederländern, Österreichern und Australiern betreute sie in einem Schichtsystem Babys, deren Mütter beispielsweise eine Geburt nicht überlebt haben, die irgendwo am Straßenrand abgelegt wurden oder die gerade noch gerettet werden konnten, ehe sie nach ihrer Geburt in einem Klo entsorgt werden sollten. Zwei Kinder sind Lisa Brück besonders an Herz gewachsen: Ein Junge war von Geburt an von seiner Mutter nur mit Alkohol gefüttert worden und hatte deshalb schwere Hirnschäden davongetragen. Der kleine Joshua kam mit Klumpfüßen zur Welt. Lisa Brück erreichte nach tagelangen Debatten, dass er durch die Behandlung in einem Hospital doch noch irgendwann ein einigermaßen normales Leben führen kann.

Die Kinder bekommen im Waisenhaus vor allem Liebe, Geborgenheit, Nahrung, medizinische Versorgung, Aufmerksamkeit und die notwendige Zuneigung, die sie verdienen. Wenn sie in der Lage sind, eigenständig zu essen und vor allem nicht mehr auf teures Milchpulver angewiesen sind, kommen sie zurück in ihre Familien oder zu einem Verwandten, der sich dann um das Kleine kümmern kann. Ist die Familie des Kindes unbekannt, so zieht es in ein anderes Waisenheim um.

Zwei der acht Wochen war auch Eckhard Brück, einst als Fußballtorwart beim FC Großen-Buseck aktiv, vor Ort in Tansania. Was eigentlich nur als Besuch seiner Frau geplant war, entwickelte sich jedoch bereits im Vorfeld zu einer Hilfsmission. Der 55-Jährige arbeitete tageweise im Krankenhaus der Kreisstadt Tengeru, half in der Ambulanz oder auf der Geburtsstation und war beeindruckt von seinen Kollegen: »Handwerklich haben sie alles tadellos gemacht, obwohl sie nur die einfachsten Mittel zur Verfügung hatten. Das Material aus China, das sie benutzen, wäre bei uns überhaupt nicht verwendet worden.« Eckhard Brück hatte einen Koffer voller Desinfektionsmittel, Masken, Fieberthermometer, Blutdruckmessgeräten und Einmalhandschuhen dabei, die er entweder über seine eigene Praxis besorgt oder die ihm Kollegen zur Verfügung gestellt hatten.

Lisa und Eckhard Brück wohnten in einem Hostel, eine halbe Stunde Fußmarsch entfernt vom Cradle-of-Love-Baby-Home. Im Zimmer gab es Geckos, Strom und Wasser standen nur stundenweise zur Verfügung. Alle Fahrten, auch die auf einen Markt, um zusammen mit Herbergsvater Psteen dringend benötigte Lebensmittel wie Reis, Mais oder Bohnen in Säcken einzukaufen, absolvierten sie mit uralten Landcruisern oder Überlandkleinbussen, die ständig fuhren - oder auch nicht. Aber stets nur bis 19 Uhr, also bis zum Einbruch der Dunkelheit. »Uns ist nie etwas passiert in Tansania. Alle, die uns begegnet sind, haben uns aber davor gewarnt, abends rauszugehen, das sei zu gefährlich«, schildert Eckhard Brück. Und wenn die beiden wirklich mal auf einer Lodge zum Essen waren und die Gespräche mit den Fremden, die vor Ort waren, um anzupacken, länger dauerten, dann war schnell ein Verwandter des Gastwirtes zur Stelle, um sich etwas als Chauffeur dazuzuverdienen.

»Wenn etwas gekauft wurde, dann war ich immer dabei, um zu sehen, dass unser Geld, das wir gespendet haben, auch korrekt verwendet wird«, erzählt Lisa Brück. Auch eine Wasserpumpe für ein Waisenhaus, damit die Menschen dort selbst Reis anbauen konnten, oder Betten für ein Heim, in dem sich elf Kinder drei Schlafplätze teilten, besorgten die beiden in Großen-Buseck lebenden Freiwilligen.

Lisa Brück hat inzwischen bei »Whydonate.nl« die Spendenplattform »Support of children in Tanzania« ins Leben gerufen hat. Dort kann jeder das Projekt unterstützen, damit »Ecki« und Lisa, die mit vollständigem Namen eigentlich Elisabeth heißt, auch im Herbst 2023 wieder praktische Hilfe vor Ort leisten können. »Wir sind sehr glücklich, dass viele Freunde und Bekannte unser Projekt, bei dem ich garantieren kann, dass alle Gelder zu 100 Prozent ankommen, unterstützen«, bedankt sich Lisa Brück bei allen Spendern. »Wir gehen mit jeder Spende transparent um und können alles, was wir vor Ort investieren, auch belegen.«

Patenschaften für zwei Mädchen

Auf die Frage, was die beiden von ihrem Aufenthalt am Kilimandscharo mitgenommen haben, müssen sie nicht lange überlegen. »Liebe und große Dankbarkeit!« Und zwei Patenschaften hat Lisa Brück auch mit nach Hause gebracht. Nicht aus dem Baby-Home, aber aus einem von Amerikanern gegründeten Haus für zehn- bis 15-jährige Mädchen, die dort auf der Flucht vor Vergewaltigung, Zwangsheirat und weiblicher Beschneidung eine Bleibe gefunden haben. »Schon Zehnjährige werden in Tansania schwanger«, erzählt Eckard Brück. »In dem Haus lernen die Kinder Englisch, Nähen und Kochen. Nur so haben sie eine Chance, dem Elend zu entrinnen.«

Und vielleicht treffen sie auf Menschen wie die beiden Helfer aus Großen-Buseck, die nicht zum letzten Mal in Tansania gewesen sind…

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