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In Champions League internationaler Forschung

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Peter Schreiner © Red

Gießen (red). Ein »Tunnel« spielt eine zentrale Rolle in den Forschungsarbeiten des Chemikers Prof. Peter R. Schreiner. Der international renommierte und vielfach ausgezeichnete Spitzenforscher, der als einer der Pioniere der Organokatalyse gilt, hat mit seinem Team am von ihm geleiteten Institut für Organische Chemie der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) den Mechanismus der Tunnelkontrolle (»Tunneling Control«) von Reaktionen entdeckt und dessen Verbreitung nachgewiesen.

Zur Fortsetzung und Ausweitung seiner bahnbrechenden Forschungsarbeiten erhält Schreiner nun einen der begehrten ERC Advanced Grant: Die Europäische Union fördert sein Projekt »Cold Organic Chemistry« (COLDOC) in den nächsten fünf Jahren mit 2,5 Millionen Euro, wie aus einer Pressemitteilung der JLU hervorgeht.

Neben der thermodynamischen und der kinetischen Kontrolle konnten Schreiner und seine Mitarbeiter somit eine dritte Triebkraft chemischer Reaktionen wissenschaftlich etablieren: »Tunneln« ist wichtig sowohl zum Verständnis als auch für das Design chemischer Reaktionen.

Von der herausragenden Qualität des Antrags von Prof. Schreiner waren die Gutachter einhellig überzeugt. Mit ihren Glückwünschen an den Gießener Chemiker verbindet die Präsidentin des Europäischen Forschungsrates (European Research Council - ERC), Professor Maria Leptin, die Überzeugung, dass die finanzielle Förderung Schreiner helfen werde, seine »Forschung auf höchstem Niveau weiterzuentwickeln und bahnbrechende Ergebnisse im Sinne des ERC zu erzielen«.

Schreiner dankt dem Europäischen Forschungsrat und betont: »Eine solche Anerkennung der Arbeit meiner Arbeitsgruppe ist Lob und Herausforderung zugleich. Wir fühlen uns extrem motiviert, auch weiterhin in der Champions League der internationalen Forschung ganz oben mitzuspielen.«

JLU-Präsident Joybrato Mukherjee gratuliert Prof. Schreiner herzlich zu dieser herausragenden Auszeichnung: »Gießen wird zu Recht als eine der Geburtsstätten der modernen organischen Chemie und der Lebenswissenschaften bezeichnet. Wichtige Impulse und innovative Ansätze gehen auch heute von den Chemikerinnen und Chemikern der JLU aus. Der vielfach ausgezeichnete Spitzenforscher Prof. Schreiner trägt mit seiner Expertise auf dem Gebiet der organischen Chemie dazu bei, den hervorragenden Ruf der Gießener Chemie zu stärken. Der ERC Advanced Grant wird es ihm ermöglichen, seine Forschungsarbeiten weiter zu vertiefen. Wir dürfen gespannt sein auf weitere wegweisende Erkenntnisse.«

Das mit dem ERC Advanced Grant geförderte Projekt »Cold Organic Chemistry« von Schreiner wird sich mit organisch-chemischen Reaktionen unter ungewöhnlichen Bedingungen wie beispielsweise extremer Kälte beschäftigen. Dabei würde die Energie im Normalfall nicht ausreichen, um chemische Reaktion überhaupt in Gang zu setzen. Da viele organische Moleküle im Weltraum entdeckt oder in Meteoriten zur Erde gebracht wurden, müssen sie unter solchen Bedingungen durch bisher weitgehend unbekannte Mechanismen entstanden sein.

Schlüsselhypothese

Eine Schlüsselhypothese ist, dass quantenmechanisches Tunneln (QMT) und neuartige Reaktionen mit außergewöhnlich niedrigen Barrieren am Werk sind. Daher besteht eines der Hauptziele der Arbeitsgruppe Schreiners darin aufzudecken, wie QMT, bei dem die Reaktionen durch Tunnel und nicht über Barrieren ablaufen, die chemische Reaktivität und Selektivität steuert. Ein weiteres Ziel ist die Untersuchung kryogener Reaktionen von Hydroxycarbenen oder Enolen mit Carbonylverbindungen. Die Methoden umfassen die organische Synthese von Ausgangsmaterialien (auch isotopenmarkiert) und Produkten, Infrarot- sowie Ultraviolett-bzw. sichtbare Matrix-Isolationsspektroskopie, ab-initio-Berechnungen von Strukturen, Spektren und Potentialflächen sowie QMT-Berechnungen. Das Team wird zudem isotopenselektive Reaktionen konkurrierender QMT-Reaktionen untersuchen. Schließlich werden die Gießener Wissenschaftler die Chemie fernab des thermodynamischen Gleichgewichts betrachten, indem sie die Aktivierung und Reaktion hochstabiler Moleküle unter Bestrahlung mit energiereichen Elektronen untersuchen. Dabei werden Bedingungen des interstellaren Mediums nachgeahmt, das galaktischer kosmischer Strahlung ausgesetzt ist, erläuter Schreiner.

Das Team erhofft sich Aufschlüsse über die Bildung größerer »komplexer organischer Moleküle«, die in diesem Medium vorkommen und oft als Bausteine des Lebens angesehen werden. Foto: Friese

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