»In der Ukraine mangelt es an allem«

Der Gießener Hartmut Schotte war für humedica an den Grenzen zum Kriegsgebiet . Die ersten Hilfstransporte sind in der Ukraine eingetroffen. Dort mangelt es an allem, hat er beobachtet.
Gießen. »Die Abschiedsszenen an den Grenzen sind sehr emotional«, berichtet Hartmut Schotte. »Da die wehrfähigen Männer nicht ausreisen dürfen, müssen sie sich spätestens dort von ihren Familien verabschieden.« Im Auftrag der internationalen Hilfsorganisation humedica war der aus Gießen stammende selbstständige Medienkoordinator mit einem vierköpfigen Team sowohl am rumänisch-ukrainischen als auch am moldawisch-ukrainischen Grenzübergang im Einsatz.
Sein Auftrag lautete, sich einen Überblick über die Lage zu verschaffen, um dann gezielt Hilfe anfordern zu können. Die ersten Hilfstransporte von humedica sind mittlerweile eingetroffen.
»Die Situation ändert sich jeden Tag«, erzählt er im Gespräch mit dem Anzeiger. An den rumänischen Grenzübergängen sei alles noch ruhig und geordnet, Regierung und NGOs gut organisiert. Es stünden sogar Busse bereit, die beispielsweise Bukarest, aber auch andere Städte ansteuern würden.
Etwas anders sehe es in der Republik Moldau aus, zumal ein Teil der Bevölkerung prorussisch, ein anderer pro-ukrainisch eingestellt sei. Vor allem am Grenzübergang Palanca sei der Ansturm von Flüchtlingen sehr groß. Bis zu 36 Stunden müssten Autofahrer in der Ukraine warten, um in das östlichste Dorf der Republik einreisen zu können. Fußgänger kämen wesentlich schneller voran.
Auch in der Ukraine war das Team von humedica kurz. Hartmut Schotte schildert: »Die Menschen haben zum Teil ihr Essen auf dem Tisch stehen lassen, um zu flüchten.« Viele seien dabei mit dem Bus gefahren. »Da etwa 15 Kilometer vor der Grenze nichts mehr ging, haben sie den Bus verlassen und sind mit Kindern, zum Teil auch ihren Haustieren sowie Rollkoffern zu Fuß zur Grenze gegangen.« Die große Mehrheit der Ukrainer bliebe aber nicht in der Republik Moldau oder Rumänien, sondern reise weiter. »Viele haben Freunde oder Verwandte in anderen EU-Staaten, bei denen sie unterkommen können.
»In den angrenzenden EU-Staaten ist noch alles gut«, so sein Fazit. »Die Flüchtlinge, die in Rumänien angekommen sind, waren fast alle gesund.« Das Gesundheitssystem in der Republik Moldau sei jedoch »weniger robust«. Aktuell bereite man sich dort auf einen möglichen Angriff auf die ukrainische Hafenstadt Odessa vor. Damit ein ausländischer Arzt helfen dürfte, benötigte er eine offizielle Genehmigung der Regierung, ansonsten könne man ihn wegen Körperverletzung anklagen, erklärt Schotte. Wichtig sei nun, alles, was zum Leben benötigt würde, in die Ukraine reinzubringen, denn dort mangele es an allem.
»Wir haben lokale Partner in Rumänien und Moldawien und hoffen, dass diese mit großen Versorgungs-Lkws zumindest in den Westen des Landes fahren können.«
Hartmut Schotte ist seit 2017 ehrenamtlicher Helfer bei humedica und hatte seinen ersten Einsatz 2018 in einem äthiopischen Flüchtlingslager.