Inklusion sichtbar machen

Lebenshilfe Gießen eröffnet Begegnungsladen »plusPunkt« in der Sonnenstraße
Gießen . Zentraler geht es kaum: Wo früher Kleidung verkauft wurde, hat die Lebenshilfe Gießen am gestrigen Freitag ihren Begegnungsladen »plusPunkt« eröffnet. In der Sonnenstraße 12 können Besucher von nun an Eigenprodukte aus den Werkstätten der Lebenshilfe erwerben. Vor allem aber soll der »plusPunkt« einen Raum für Austausch und gegenseitiges Kennenlernen bieten und Inklusion im Gießener Stadtgebiet sichtbarer machen. Sie wünsche sich, dass die Menschen, die hier arbeiten, viele Kontakte knüpfen werden, sagte Aufsichtsratsvorsitzende Maren Müller-Erichsen bei der Eröffnungsfeier.
Kooperationen gesucht
Das »plusPunkt«-Team besteht aus Menschen mit und ohne Behinderung. Strukturell angegliedert ist der Begegnungsladen an die Tagesförderstätten der Lebenshilfe, die Projektleitung hat Henning Fuhr übernommen. Nun, wo die Eröffnung geschafft ist, wollen er und sein Team Kooperationspartner finden. Denn die Lebenshilfe ist auch auf der Suche nach Beschäftigungsmöglichkeiten für behinderte Mitarbeiter außerhalb des »plusPunkts«. Da die Tagesförderstätten nichts verdienen dürfen, würden die kleineren Dienstleistungen unentgeltlich erledigt, erläuterte Henning Fuhr.
Die erste Idee für den Begegnungsladen geht bereits auf das Jahr 2015 zurück. Damals hatte sich die Bundesarbeitsgemeinschaft für unterstützte Beschäftigung (BAG UB) an Karin Reuther, Leiterin Tagesförderstätten der Lebenshilfe Gießen, gewandt. Ziel der BAG UB ist die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen in Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarktes.
Das neue Projekt richtet sich nun jedoch gezielt an Personen mit hohem Unterstützungsbedarf. Der Begegnungsladen »passt zu uns, zur Lebenshilfe und zum Landkreis«, zeigte sich Karin Reuther überzeugt. Man habe »Augen und Ohren offengehalten«, um geeignete Räumlichkeiten zu finden. Glück für die Lebenshilfe, dass Vermieter Marko Fuhr nach dem Auszug des Bekleidungsgeschäftes bevorzugt an eine soziale Einrichtung vermieten wollte.
Mit dem »plusPunkt« hat die Lebenshilfe Gießen neben dem »Vortagslädchen«, der Koordinationsstelle Migration und Behinderung sowie dem Ausstellungsraum »Atelier 23« einen weiteren Standort in der Innenstadt, im kommenden Jahr soll die neue Kita im Seltersweg folgen. »Wir sind da, wir sind mitten in der Stadt«, betonte Geschäftsführer Dirk Oßwald. Bis zur Eröffnung des »hessenweiten Pilotprojekts« sei es aber ein »langer, beschwerlicher Weg« gewesen, der länger dauerte, als geplant - auch, weil die Räumlichkeiten erst einmal barrierefrei umgebaut werden mussten.
Das Begegnungsareal mit Verkaufsfläche bietet Arbeitsplätze für acht bis elf Menschen mit Behinderung, die von drei Betreuern begleitet werden. »Ich wünsche mir, dass sie hier gesehen werden«, sagte Diane Wieya, deren Sohn mit von der Partie ist. Zum Kauf anbieten werden er und seine Kolleginnen und Kollegen hier beispielsweise Kerzen, Postkarten, Geschenkboxen und Grillanzünder. Im hinteren Bereich der Sonnenstraße 12 ist eine Betreuungs- und Beschäftigungsfläche entstanden. Auch das durch die Aktion Mensch geförderte Projekt »Vereine werden inklusiv«, geleitet von Jörg Luckert, ist mit eingezogen.
Inklusion könne nur dort wirklich gelingen, wo Menschen miteinander in Austausch kommen, betonte Sozialdezernent Francesco Arman. Er hoffe, dass mit dem Besuch und dem Kennenlernen im Begegnungsladen die Barrieren in den Köpfen verschwinden. Denn nur so könnten auch die äußeren Barrieren abgebaut werden.
Gießen könne stolz auf das neue Angebot in der Innenstadt sein, befand der hauptamtliche Kreisbeigeordnete Frank Ide und zeigte sich überzeugt, dass es bald zahlreiche Nachahmer in anderen Städten geben werde. »Ich hoffe, dass auch der Umsatz stimmen wird.«