Investitionsplan für UKGM stockt

Die Rhön-Klinikum AG will »vorsorglich« die bestehende Vereinbarung mit dem Land kündigen. Aus Wiesbaden kommt Kritik.
Gießen (red/ebp). Über 450 Millionen Euro, verteilt über einen Zeitraum von zehn Jahren: Im Januar hatte die Rhön-Klinikum AG, die 95 Prozent der Anteile am Universitätsklinikum Gießen und Marburg (UKGM) hält, finanzielle Hilfe vom Land Hessen angekündigt. Zuvor hatte es Berichte über einen Investitionsstau in dreistelliger Millionenhöhe gegeben. Doch eine zeitnahe Einigung mit dem Land über die Gewährung der Fördermittel ist offenbar fraglich. Das teilt die Rhön-Klinikum AG nun in einer Pressemitteilung mit. Die bestehende Vereinbarung aus 2017 zwischen dem UKGM, dem Land und den Universitäten in Gießen und Marburg steht demnach vor dem Aus.
Der Vorstand habe am gestrigen Montag entschieden, den Aufsichtsrat der Rhön-Klinikum AG »vorsorglich« um die Zustimmung zur Kündigung mit Wirkung zum 31. Dezember zu bitten, heißt es in der Mitteilung. Der Vorstand sehe sich zu diesem Schritt gezwungen, »um sich vorsorglich den notwendigen Handlungsspielraum für den Fall zu sichern, dass die neue Vereinbarung nicht rechtzeitig zustande kommt«. Der Aufsichtsrat werde über den Beschlussvorschlag in einer kurzfristig anzuberaumenden Sondersitzung entscheiden.
»Nicht erfüllbare Forderungen«
»Wir stehen uneingeschränkt zu der Absichtserklärung vom Januar 2022 und sind im Rahmen der laufenden Verhandlungen auch weiterhin offen für pragmatische Lösungen«, sagt Vorstandsvorsitzender Dr. Christian Höftberger. Das Land konfrontiere »uns allerdings mit deutlich weitergehenden Forderungen, die wir im Sinne einer künftigen gedeihlichen Entwicklung des UKGM und der Rhön-Klinikum AG beim besten Willen nicht erfüllen können«.
Man könne zum jetzigen Zeitpunkt daher nicht länger davon ausgehen, dass die Verhandlungen zeitnah erfolgreich abgeschlossen werden. Man stehe »in der Pflicht, in einer schwierigen Gesamtlage Flexibilität zurückzugewinnen und so eine nachteilige Situation für das UKGM und die Rhön-Klinikum AG abzuwehren«.
Eine automatische Verlängerung der bestehenden Vereinbarung hätte laut Pressemitteilung zur Folge, dass dem UKGM weiterhin die gesetzlichen vorgesehenen Investitionsmittel im Sinne der dualen Finanzierung im deutschen Gesundheitssystem vorenthalten würden. Gleichzeitig würden auch Regelungen fortbestehen, die tief in die unternehmerische Handlungsfreiheit des UKGM eingreifen.
Die Rhön-Klinikum AG habe in der Absichtserklärung verbindlich zugesagt, alle künftigen Gewinne am UKGM nicht auszuschütten, sondern im Unternehmen zu belassen. Dazu stehe man. Im Gegenzug müsse aber auch das Land »einen angemessenen Beitrag leisten, um das UKGM in Gießen und Marburg als traditionsreichen Standort für Spitzenmedizin in Deutschland zu bewahren und weiterzuentwickeln«. Angesichts der großen Herausforderungen, vor denen die Gesundheitswirtschaft steht und vor dem Hintergrund unsicherer Rahmenbedingungen brauche man »mehr Flexibilität und Handlungsspielraum, sowohl für die Verhandlungen als auch die bauliche Umsetzung der Strategie«, fordert Vorstandsvorsitzender Höftberger.
Man wolle weiterhin versuchen, mit dem Land »so schnell wie möglich eine tragfähige Anschlussvereinbarung zu erreichen«. Dazu werde man dem Land eine verbindliche Zusage von Eigenmittelinvestitionen in Höhe von mindestens 22 Millionen Euro pro Jahr anbieten, um »wichtige Vorhaben an beiden Standorten« voranzutreiben.
Weiterhin werde man auch vor einer Einigung »alle notwendigen Investitionen tätigen und in die Wege leiten, um den ordnungsgemäßen und reibungslosen Betrieb von Forschung und Lehre sowie der Krankenversorgung kontinuierlich sicherzustellent«. Gleiches gelte auch für die Vorhaltung des Personals. Für das UKGM ändere sich durch die Kündigung »zunächst überhaupt nichts«, hieß es auf Anfrage des Anzeigers. Dagegen würden die Verhandlungspartner jetzt mehr Zeit gewinnen, »um eine gute Vereinbarung bis Jahresende schließen zu können«, so Höftberger,
Kritik am Vorgehen der Rhön-Klinikum AG kommt aus Wiesbaden. »Die heutige Meldung und das Agieren des Rhön-Vorstands sind nicht vertrauensbildend«, heißt es in einer Pressemitteilung des Ministeriums für Wissenschaft und Kunst vom gestrigen Montag. Die Ankündigung geschehe »ohne Not«, da eine fristgerechte Kündigung bis zum 30. Juni möglich wäre. »Wir halten eine derartige Verunsicherung der Beschäftigten und der ganzen Region für nicht verantwortungsvoll und nicht zielführend im Sinne einer ausbalancierten und tragfähigen Vereinbarung.«
»Nicht vertrauensbildend«
Auch habe die Rhön-Klinikum AG den Vorschlag von 22 Millionen Euro als Eigeninvestitionsmittel des Konzerns erstmalig genannt, nachdem die Landesseite in den Verhandlungen der vergangenen Monate mehrfach zur Beschleunigung der Verhandlungen diesen erbeten habe. Aufgrund der baulichen Verpflichtungen müssten die Rhön-Klinikum AG beziehungsweise das UKGM »auch im Falle einer möglichen Vertragskündigung ohnehin erhebliche Eigeninvestitionsmittel bereitstellen und die Baumaßnahmen in der ursprünglichen Frist bis 2024 fertigstellen«.
Die Verhandlungen zur Investitionsliste seien weit fortgeschritten und auch die Verhandlungen über die Anschlussvereinbarung seien in vollem Gange: Allein für diese Woche seien zwei Verhandlungsrunden auf Spitzenebene bereits seit Anfang vergangener Woche vereinbart gewesen. In den vielen Gesprächen habe es seitens des Landes die Bereitschaft gegeben, »Lösungen zu finden, die der schwierigen wirtschaftlichen Lage aufgrund der Ukraine-Krise und der damit einhergehenden Preissteigerungen Rechnung tragen«.
Es bleibe das Ziel, »dass die UKGM-Beschäftigten nicht stärker belastet werden, als es bereits heute der Fall ist«. Es sei daher auch wichtig, dass der Konzern »willens und in der Lage ist, Verantwortung für die Zukunftsfähigkeit des UKGM als Flaggschiff unter den Rhön-Kliniken zu übernehmen«.