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Jazz, Pömpel und jubelnde Kinder

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Volles Rohr in voller Osthalle: Die hr-Bigband zeigte den Schülern der Gesamtschule Ost, was es mit Jazz, Blues und Swing auf sich hat. Foto: Gauges © Gauges

Gießen. Der Jazz ist nicht gerade als das Genre bekannt, das bei der zumeist Hip-Hop- und R&B-affinen Jugend besonders hoch im Kurs steht. Anders sieht die Sache aus, wenn echte Könner zeigen, welche Faszination von dieser traditionsreichen, handgemachten Musik ausgeht. So wie die renommierte hr-Bigband, die am Donnerstag in der Gießener Ostschule gastierte.

17 Instrumentalisten sorgten in der Osthalle für einen mächtigen Klangkörper, von den Hunderten Schülern in den voll besetzten Reihen gab es dafür tosenden Applaus - und sogar eine erjubelte Zugabe.

Moderatorinnen aus der 11c

Nach zwei Jahren Corona-Zwangspause waren die Musiker nun endlich wieder auf einer kleinen, zweiwöchigen Schultour unterwegs, die sie durch ganz Hessen führte. Und die Gießener gehörten zu den glücklichen Bewerbern, die für einen der wenigen Auftritte ausgewählt wurden. Und nicht nur das: Zu dem Konzert gehört auch das Angebot der Frankfurter Gäste, Schülerinnen und Schülern zuvor in Workshops für die Moderation der Auftritte auszubilden. In der Osthalle war dies ein weibliches Quartett aus der 11c: Und die abwechselnd durch das Programm führenden Jule, Karlotta, Pauline und Milena zeigten mit bemerkenswerter Souveränität, was sie dabei gelernt haben.

Zwischen den einzelnen Stücken befragten sie die Instrumentalisten zu den unterschiedlichsten Themen: Wie sie zur Musik gekommen sind. Worum es sich beim Blues handelt. Und warum dieses komische Gummiding vor die Trompete gehalten wird, das wie ein Klo-Pömpel aussieht. Kein Wunder, lautete die Antwort des darauf angesprochenen Axel Schlosser: »Das ist ja auch ein Pömpel«. Um umgehend mit einem Solo zu demonstrieren, welch prägnante »Quack-Quack-Effekte« sich damit erzielen lassen.

Zum Thema Blues gab zuvor E-Gitarrist Martin Scales den Moderatorinnen Auskunft. Und wer im Publikum der Osthalle hätte zuvor gewusst, dass diese Musik zunächst unter schwarzen Sklaven auf den Baumwollfeldern des US-Südens entstand und nicht nur die Rockmusik hervorbrachte, sondern auch als Grundschema für so ziemlich alle folgenden Genres der Populärmusik sorgte. Und schon zeigte der gebürtige Bayer Scales mit einem virtuosen Solo, wie prächtig der gezupfte Blues klingen kann.

Wäre also noch zu klären, wie man eigentlich zur hr-Bigband kommt. Darauf gab Trompeter und Klarinettist Oliver Leicht profunde Auskunft. Wie die meisten seiner - ausschließlich männlichen - Kollegen macht er seit der Kindheit Musik. Viele spielten in einer Schulband, »im besten Falle auch in einer Big Band«. Später folgte ein Studium, was aber natürlich noch keinen Platz in diesem renommierten Ensemble garantiert. Den gibt es erst, wenn eine Stelle frei wird, wenn einer in »den wohlverdienten Ruhestand geht oder auch mal einfach keinen Bock mehr hat. Das kommt aber nur sehr, sehr selten vor«, sagte Leicht lachend. Und dann müssen die Kandidaten auch noch im Vorspiel ihre zukünftigen Kollegen von sich überzeugen.

Hohe Hürden also, um in diesem Traumberuf zu landen. Aber dafür sind in der hr-Bigband eben auch jede Menge ausgewiesene Könner versammelt - wie in Gießen zu erleben war. Sie spielten Stücke von Großmeistern wie Duke Ellington, Herbie Hancock oder Ray Charles, streuten mal ein bisschen Bossa Nova ein oder ließen ihrer Improvisationskunst freien Lauf. Und als Oliver Leicht zu einem Solo auf der E-Klarinette ansetzte, ließ er auch noch die Moderatorinnen an den Knöpfen der daran verbunden Effektgeräte drehen.

Diese komplexe und nicht immer leicht zu konsumierende Musik funktioniere wie gutes Essen, erklärte der Saxofonist Rainer Heute. »Je mehr man darüber weiß, desto mehr Spaß macht sie.« Die hr-Bigband hat jedenfalls mit ihrem entspannten Auftritt dafür gesorgt, dass sicher mancher Ostschüler nun genauer hinhören wird, wenn es um das unerschöpfliche Thema Jazz geht.

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