Kälteres Wasser, dunkle Fassaden

Magistrat und Stadtwerke stellen Maßnahmen zur Energiedrosselung in Gießen vor. Die Devise lautet: »Sparen, wo es möglich ist.« Noch gebe es aber keinen Grund, in Panik zu verfallen.
Gießen. Die Gaspreise explodieren und Russland droht als Lieferant des Energieträgers langfristig auszufallen. Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, prognostizierte daher vor wenigen Tagen: Die Menschen im Land »werden die Komfortzone verlassen müssen«. Zugleich forderte der Spitzenverband die Kommunen dazu auf, Energie zu sparen - die Stadt Gießen will sich daran halten. Die Verwaltungsspitze und Vertreter der Stadtwerke Gießen stellten nun vor, was bislang unternommen wurde und was in den kommenden Wochen und Monaten geplant ist.
Noch ist nicht klar, ob Russland alsbald wieder Gas durch seine Pipelines nach Deutschland fließen lässt. Doch um künftigen Engpässen vorzubeugen, lautet schon jetzt »das Gebot der Stunde: sparen, wo es möglich ist«, betont Ulli Boos, Unternehmenssprecher der Stadtwerke Gießen (SWG). Das gelte übrigens auch für den Stromverbrauch.
Vor einigen Tagen wurde bereits das Hallenbad an der Ringallee für den öffentlichen Betrieb geschlossen. Lediglich Schul- und Vereinssport finden dort noch statt. Damit fällt auch die Erwärmung des Duschwassers weg, was »rund 450 Bade- und 70 Saunagäste betrifft«, zählt Boos’ Kollege Matthias Acker auf. Auch das Babybecken ist nicht mehr beheizt. Zudem wurde die Raumtemperatur von 28 auf 25 Grad heruntergeregelt. In den Sommerferien werde das Hallenbad komplett geschlossen.
Abgestellt wurde ebenfalls die Beckenheizung im Freibad. Das Wasser dort werde nur noch von der Sonne erwärmt, das dürften »vor allem die frühen Gäste ganz sicher merken«, sagt Acker. »Das ist natürlich ein Komfortverlust.« Aber es sei auch eine weitere Möglichkeit, den Energiebedarf deutlich zu senken - Ulli Boos hofft auf bis zu 50 Prozent.
Auch im eigenen Verwaltungsgebäude in der Lahnstraße haben die Stadtwerke Einsparmaßnahmen ergriffen. Das Warmwasser in den Toilettenräumen wurde weitgehend abgestellt, Fördermaßnahmen für mit Erdgasbetrieb laufende Fahrzeuge wurden eingestellt. Boos erwartet, dass solche Aktionen Signalwirkung entfalten. Denn: »Schon kleinste Einsparungen bringen in der Summe viel!«
Die Stadtwerke haben daher zahlreiche Tipps auf ihrer Internetseite zusammengestellt. In ihrem Kundenzentrum stehen zwei Energieberater für Gespräche zur Verfügung, ein dritter soll möglichst bald hinzukommen. Die einfachste Möglichkeit des Sparens sei übrigens, die Raumtemperatur zu drosseln: »Ein Grad weniger bringt schon sechs Prozent.«
Oberbürgermeister Frank-Tilo Becher berichtete, dass im Rathaus und bei den Stadtwerken Krisenstäbe eingerichtet wurden, die in engem Kontakt miteinander stehen, ebenso wie mit den entsprechenden Stellen in Land und Bund. Grundsätzlich arbeite die Verwaltung an drei Maßnahmenpaketen: an kurz-, mittel- und langfristigen. Zu ersteren gehört die Abschaltung der Luftbefeuchtung, die Reduzierung der Klimatisierung und die weitgehende Abschaltung des Warmwassers im Rathaus. Auch die Zahl der Kühlschränke sei reduziert worden.
Um professionelle Beratung kümmern
Außerdem werde auf die nächtliche Außenbeleuchtung des Stadttheaters, der Kongresshalle und des Alten Schlosses verzichtet. Mittelfristig soll noch die Warmwasserversorgung der Sporthallen gedrosselt werden. Langfristig gehe es darum, die Raumtemperatur in den öffentlichen Gebäuden wie Schulen und Behörden abzusenken. Dabei wolle sich die Stadt mit den Nachbarkommunen abstimmen, damit es zu gemeinsamen Lösungen komme. Ein weiterer bedeutender Sektor für Energieeinsparungen ist der innerstädtische Verkehr. Bürgermeister Alexander Wright verwies darauf, dass die Umstellung auf LED-Leuchten in den vergangenen vier Jahren eine Kostenersparnis von rund 400 000 Euro für Strom eingebracht habe. Weitere Ampelanlagen sollen umgerüstet, manche vielleicht nachts ganz abgeschaltet werden. »Da müssen wir von Punkt zu Punkt schauen, ob das möglich ist.«
Weiterhin soll in Häusern des kommunalen Wohnungsunternehmens Wohnbau GmbH die Heizungssteuerung geprüft werden, weil sich dort erfahrungsgemäß lohnende Sparpotenziale auftun. Wichtig sei ferner, wie Stadträtin Astrid Eibelshäuser betonte, dass die Bürger sich professionelle Beratung in Finanzfragen holen. Sie appellierte an die Mieter, sich möglichst frühzeitig um Beratungsgespräche zu kümmern und dazu etwa die Verbraucherzentrale zu kontaktieren, um bei der nächsten Heizrechnung böse Überraschungen zu vermeiden. So ließen sich zum Beispiel Abschlagszahlungen berechnen. »Wichtig ist, nicht zu warten, bis kein Ausweg mehr gefunden werden kann.«
Ulli Boos betonte jedoch zugleich, dass die derzeitige Situation kein Grund sei, um in Panik zu verfallen. »Aktuell haben wir eine drohende Gasmangellage.« Noch sei dieses Szenario aber nicht eingetreten. »Der Großteil unserer Wärme wird durch Gas erzeugt. In unseren Blockheizkraftwerken können wir aber auf alternative Brennstoffe wie Öl und Holz umstellen.« Er gehe davon aus, die Wärmeversorgung im Winter sicherstellen zu können. »Sollte allerdings gar nichts mehr aus Russland geliefert werden, dann kann es eng werden.«