Kampf den Autoknackern

Manchmal reicht schon der Ausblick auf einen Euro: Die Zahl der Einbrüche in Autos ist in Gießen zuletzt deutlich gestiegen. Die Polizeidirektion geht nun mit einer Arbeitsgruppe dagegen vor
Gießen . Ein Euro und zwei FFP2-Masken hat ein Dieb aus einem Auto im Gießener Stadtgebiet geklaut. Kein großer Schaden - eigentlich. Doch um an seine Beute zu kommen, hat der Täter eine Scheibe des Pkw eingeworfen und damit wiederum einen Sachschaden von etwa 300 Euro verursacht. Mit Straftaten wie dieser haben Christian Schneider und Patrick Engel regelmäßig zu tun. Die beiden Polizeioberkommissare leiten die »Arbeitsgruppe Pkw«, die die Polizeidirektion Gießen im März ins Leben gerufen hat. Durch sie sollen sowohl Diebstähle aus Fahrzeugen verhindert, als auch bereits begangene Straftaten aufgeklärt werden. Und davon gab es Anfang des Jahres eine ganze Menge. »Wir haben im ersten Quartal 2022 eine Steigerung um bis zu 20 Prozent festgestellt«, verdeutlicht Christian Schneider bei einem Pressegespräch.
Im vergangenen Jahr wurden der Polizei 334-mal Langfinger gemeldet, die etwas aus dem Auto geklaut hatten. In zwei Drittel der Fälle wurden dafür beispielsweise Scheiben eingeworfen oder das Auto auf andere Weise beschädigt, um sich Zugang zu verschaffen. Anfang diesen Jahres hat Yvonne Kresse, Leiterin der Polizeidirektion Gießen, festgestellt, dass die aktuellen Zahlen weit über denen des Vorjahres liegen und daraufhin die Arbeitsgemeinschaft initiiert, die »ein weiteres Standbein« des Konzeptes »Sicheres Gießen« ist.
Diebstahlserien beendet
Mit der ersten Zwischenbilanz ist Kresse zufrieden: »Wir haben bereits zwei Diebstahlserien beenden können.« Sowohl im Alten Wetzlarer Weg als auch in der Friedrichstraße waren gleich reihenweise Autos aufgebrochen worden. Mehrere Täter sitzen bereits in Untersuchungshaft, zudem sei ein Rückgang bei den Diebstählen zu verzeichnen, weil es sich teils um Serientäter gehandelt habe.
»Die Maßnahmen haben Wirkung gezeigt, das belegen die Zahlen«, betont Schneider. Weitere Verhaftungen könnten folgen, denn »wir haben einige DNA-Spuren sichergestellt. Es ist nicht abwegig, dass wir noch weitere Treffer haben werden«.
Wichtig, so Kress, sei auch der regelmäßige Austausch zwischen den Dienststellen, um etwa Diebstahl-Schwerpunkte zu benennen oder Streifenpolizisten zu informieren, wenn die Fahndung nach einem Tatverdächtigen läuft. Die Polizei nimmt zudem Kontakt zu jedem Geschädigten auf, »um so viele Informationen wie möglich für weitere Ermittlungsansätze zu haben«.
Eine Folge der Diebstähle aus Fahrzeugen sind die sogenannten Verwertungstaten - wenn der Gauner zum Beispiel im Anschluss mit der geklauten EC-Karten shoppen geht. Fallzahlen »im hohen zweistelligen Bereich« hat die Arbeitsgemeinschaft seit März in diesem Bereich erfasst.
Einem Autoknacker wurde die anschließende Einkaufstour indes zum Verhängnis: Mit der fremden EC-Karte hat er in zwei Geschäften bezahlt, einmal wurde er dabei von einer Überwachungskamera gefilmt. »Wir wussten, wie unser Täter aussieht. Aber wir konnten ihn erstmal nicht identifizieren«, erzählt Schneider. Zusammen mit seinem Kollegen Patrick Engel hat er sich daraufhin in zivil in der Stadt umgeschaut und dabei auch bekannte »Treffpunkte für ein gewisses Klientel« unter die Lupe genommen.
Und tatsächlich: Die beiden Polizeibeamten erkannten den mutmaßlichen Auto-Einbrecher in der Rodheimer Straße wieder, der Mann befindet sich in Untersuchungshaft. »So etwas ist dann auch ein schönes Erfolgserlebnis für uns beide«, sagt Schneider.
2012 erfasste die Polizei laut Pressesprecher Jörg Reinemer rund 200 Diebstähle aus Pkws. 2015/16 gab es schon einmal einen deutlichen Anstieg auf 500 bis 600 Straftaten pro Jahr. 2020 nahmen die Zahlen wieder ab - möglicherweise auch wegen der Corona-Pandemie.
Woher kommen die nun wieder steigenden Zahlen? Die Polizei verweist unter anderem auf die Erstaufnahmeeinrichtung des Landes Hessen. Es handele sich zwar nur um Einzelpersonen, die kriminell unterwegs seien, vornehmlich aus den Maghreb-Staaten, »aber die wenigen machen viel«.
Auch Kleinigkeiten locken Täter an
Um es den Tätern schwieriger zu machen, sucht die Polizei auch den direkten Kontakt zu den Pkw-Haltern und informiert etwa mit Flyern. »Lassen Sie keine Wertgegenstände im Auto«, appelliert Polizeioberkommissar Engel. Zudem machten die Täter keinen Unterschied zwischen alten oder neuen, günstigen oder teuren Fahrzeugen. Und selbst vermeintliche Kleinigkeiten, wie etwa Münzen oder Leergut, könnten ein Anreiz sein und sollten daher nicht offen sichtbar im Auto liegen bleiben. Was nicht mitgenommen werden kann, gehört ins Handschuhfach oder in den Kofferraum, damit es nicht direkt sichtbar ist.
Wer sein Auto offen lässt und anschließend beklaut wird, habe in der Regel schlechte Karten, den entstandenen Schaden von seiner Versicherung ersetzt zu bekommen. »Zwei Minuten reichen aus und die Handtasche ist weg.«
Patrick Engel rät zudem, nach dem Absperren des Autos noch mal zu überprüfen, ob die Türen auch wirklich zu sind - denn mit Sendern können Diebe das Funksignal der Zentralverriegelung stören. Dass Störsender in Gießen bereits zum Einsatz kamen, könne man nicht belegen - allerdings habe man ein solches Gerät bei den Ermittlungen schon sichergestellt.