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Kein Grund zum Feiern

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Von: Eva Pfeiffer

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Feierwütige wie hier bei einer Studierendenparty im Seltersweg sind da, aber zufrieden sind sie nicht - das ist ein Ergebnis der Umfrage zum Gießener Nachtleben. Archivfoto: Scholz © Red

Umfrage zum Nachtleben stellt Clubs in Gießen mittelmäßiges Zeugnis aus. Auch Belästigungen sind offenbar ein Problem

Gießen . Ungefähr 30 Mal im Jahr zieht es Pasqual raus zum tanzen, zumeist in einen Club oder auf private oder öffentliche Partys. Die Clubs in Gießen findet Pasqual jedoch bestenfalls mittelmäßig, auch wegen des Musikangebots. Wenn Pasqual ausgeht, dann vor allem, um zu tanzen, Freunde zu treffen und vom Alltag abzuschalten. Die Preise sind dem jungen Menschen nicht wichtig. Dass der Abend ohne Belästigungen abläuft, dagegen schon. Denn Pasqual wird im Club immer wieder belästigt und fühlt sich auch auf dem Hin- und Rückweg nicht immer sicher. Pasqual ist fiktiv - und quasi die Quintessenz der Umfrage zum Gießener Nachtleben, die die Stadt zwischen Februar und April auf der Beteiligungsplattform giessen-direkt.de durchgeführt hat. Die Ergebnisse stellte Kulturamtsleiter Dr. Stefan Neubacher am Donnerstag vor.

2553 Fragebögen ausgefüllt

Die Umfrage ist nicht repräsentativ, sei aber doch »ein aussagekräftiges Instrument«. 2553 Menschen haben teilgenommen, 19 Fragen hat die Stadt ihnen gestellt. Außerdem gab es 845 Freitextantworten mit zusätzlichen Anregungen und Kritik.

Mit 33 Prozent am stärksten vertreten waren die 21- bis 30-Jährigen vor den 31- bis 40-Jährigen (27 Prozent) und den 41- bis 60-Jährigen (14 Prozent). Mit 56 Prozent haben deutlich mehr Frauen als Männer teilgenommen, ein Prozent derer, die die Fragebögen ausgefüllt haben, sind divers. Sie sind »die Partypeople Gießens«, sagte der Kulturamtsleiter, denn sie gehen im Durchschnitt 36 Mal im Jahr tanzen (Männer: 34,7, Frauen: 27,7).

Im Club sind dagegen Männer die häufigsten Besucher, bei den Altersgruppen liegen die 21- bis 30-Jährigen mit zwölf Besuchen im Jahr vorne. Die Mehrheit von 65 Prozent geht überwiegend oder ausschließlich in Gießen in Clubs. Die Gründe sind vor allem, um zu tanzen, Freunde zu treffen, abzuschalten oder weil es glücklich macht.

87 Prozent der Teilnehmer nannten die Musik und 48 Prozent andere Menschen als eine der drei wichtigsten Erwartungen, die sie an ihren Clubbesuch stellen. Mit 46 Prozent auf Platz 3 landete die Auswahlmöglichkeit »keine Belästigung«. Eine gute Erreichbarkeit ist jedem Dritten wichtig, günstige Preise sind dagegen lediglich für 27 Prozent ausschlaggebend.

Erfüllt werden die Erwartungen allerdings selten. Im Durchschnitt werden die Clubs etwas schlechter als »mittelmäßig« bewertet. Ältere Nachtschwärmer sehen mehr Defizite als jüngere. Warum genau die Menschen unzufrieden sind, darüber gibt die Umfrage jedoch kaum Auskunft. Ein Ansatzpunkt ist die Musik. Hiermit sind 70 Prozent der Befragten unzufrieden. 91 Prozent gaben an, öfter ausgehen zu wollen, »wenn das Club-Angebot besser wäre«. Eine genauere Befragung zur Bewertung fand jedoch nicht statt.

Sehr deutlich sind die Zahlen beim Thema Belästigung: Lediglich acht Prozent der Frauen und vier Prozent der diversen Menschen gaben an, im Club noch nie belästigt worden zu sein. Bei den Männern sind es 40 Prozent. Um welche unerwünschten Verhaltensweisen es sich konkret handelt, wurde jedoch nicht abgefragt. Und auch auf dem Weg zum und vom Club fühlen sich Frauen (61 Prozent) und Diverse (54 Prozent) deutlich häufiger unsicher als Männer (24 Prozent).

Diese Zahlen hätten sie überrascht, sagte die Frauenbeauftragte Friederike Stibane und betonte, es sei »sehr unterschiedlich, was jemand als übergriffig empfindet«. Um die subjektive Sicherheit der Gäste zu erhöhen, brauche es verschiedene Ansätze. Diskutiert wurden etwa speziell geschulte Mitarbeiter in den Clubs, die als Ansprechpartner bereitstehen könnten.

Und was lässt sich aus der Umfrage mitnehmen? »Die Antworten spiegeln das wider, was wir gespürt haben«, sagte Oberbürgermeister Frank-Tilo Becher (SPD). Ein Bedarf »nach mehr, nach anderem scheint da, aber es ist schwierig zu erkennen, was die Botschaft ist«. Eine Idee könne ein »Pop-up-Club« sein, in dem neue Konzepte erst einmal ausprobiert werden könnten.

Auch müsse man sich Gedanken machen, wie die Wirtschaftsförderung Club-Betreibern helfen und welche Örtlichkeiten man für neue Lokalitäten anbieten könne. Das vorhandene Nachtleben »passt nicht zu einer jungen Stadt wie Gießen«, befand der Kulturamtsleiter.

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