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Keine Angst vor Mobilitäts-Flatrate

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Drei Monate lang können auch die Gießener bundesweit den Regionalverkehr in vollen Zügen genießen, aber hoffentlich nicht in überfüllten Eisenbahnen und Bussen. Symbolfoto: Roberto Pfeil/dpa © Red

Die Gießener Stadtverwaltung und die Stadtwerke sehen im 9-Euro-Ticket eine große Chance, den Öffentlichen Personen-Nahverkehr attraktiver zu machen.

Gießen. Für neun Euro nach Sylt oder in die Alpen? Mit einem Ticket bundesweit Busse, Bahnen, Tram, S- oder U-Bahn nutzen? In drei Wochen wird das auch in Gießen Realität. Man kann aber auch für diesen fast schon symbolischen Obolus den gesamten ÖPNV in Stadt und Kreis Gießen so oft und so lange nutzen wie man möchte.

Was für die einen, die - zumindest auf drei Monate begrenzte - Erfüllung eines Wunschtraums ist, könnte für andere dagegen zum Alptraum werden. Zumindest Gießen sieht sich aber für die organisatorischen Herausforderungen des 9-Euro-Tickets gut aufgestellt. Das wurde in einer Pressekonferenz deutlich, zu der Bürgermeister Alexander Wright, die Stadträte Gerda Weigel-Greilich und Francesco Arman sowie Matthias Lotz von der Jugendpflege und die Leiterin der Abteilung Nahverkehr-Services der Stadtwerke (SWG), Anne Müller-Kreutz geladen hatten.

Es wird voller

Wright hofft natürlich, dass noch mehr Menschen in der Stadt das Angebot des ÖPNV nutzen und das eigen Auto häufiger stehen lassen werden. Es wird in Bussen und Bahnen voller werden, doch dass in Gießen deshalb gleich das Chaos ausbrechen wird, schließt der Bürgermeister aus, auch wenn Müller-Kreutz einräumt, dass die Stadtwerke auf eine stark steigende Nachfrage nur begrenzt mit einer Ausweitung ihres Angebots reagieren können: »Ich habe ja schließlich keine zusätzlichen Busfahrer, die ich aus der Schublade ziehen kann«.

Generell ist Gießen eine Stadt, in der der ÖPNV bereits jetzt überdurchschnittlich genutzt wird. 48 Prozent der Kunden haben eine Dauerkarte und das Fahrgastaufkommen ist den Jahren vor Corona kontinuierlich gestiegen.

Noch günstiger wird die Mobilitäts-Flatrate für die Besitzer eines Gießen-Passes. Die grün-rot-rote Koalition hat sich darauf geeinigt, dass Anspruchsberechtigte das 9-Euro-Ticket in der Mobilitätszentrale der Stadtwerke am Marktplatz zum halben Preis erwerben können, ergänzt Stadtrat Arman.

Was ist aber nun mit denen, die bereits eine Jahres- oder Monatskarte besitzen? Auch die kommen in den vollen Genuss der Subvention, mit der die Bundesregierung die Härten der Rußlandsanktionen für die eigene Bevölkerung abfedern will. Ticket-Abonnenten haben es da am leichtesten. Ihnen wird die Differenz für die Monate Juni, Juli und August gutgeschrieben.

Wer seinen Dauerkarte bar bezahlt hat, muss dagegen selbst aktiv werden und die Erstattung des Differenzbetrages bei den Stadtwerken beantragen. Voraussichtlich wird dafür eine Online-Registrierung erforderlich sein.

Für die Verwaltung bedeuten das 9-Euro-Ticket in jedem Fall ein Mehraufwand. Müller-Kreutz sagt, dass man dafür bereits Vorkehrungen getroffen habe.

Glücklicher Umstand

Gerda Weigel-Greilich sieht im 9-Euro-Ticket in jedem Fall eine Chance, Bevölkerungsschichten für Busse und Bahnen zu begeistern, die bislang noch fest zum eigenen Auto stehen, und somit auch einen Anschub für die Verkehrswende. Alexander Wright ergänzt, dass es eine glücklicher Umstand ist, dass das erste Gießener Stadtfest seit Beginn der Pandemie in die Zeit des 9-Euro-Tickets fällt.

Was für die einen ein Anreiz sein soll, bereitet manchem langjährigen ÖPNV-Nutzer dagegen auch Bauchschmerzen. Die im Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) derzeit mögliche Mitnahme des eigenen Fahrrads bleibt zwar grundsätzlich erlaubt, könnte in volleren Zügen aber eingeschränkt werden, um nicht den Platz für Passagiere zu blockieren. Bereits jetzt hätten ja auch Rollatoren, Rollstühle und Kinderwagen den Vorrang vorm Drahtesel, auch wenn das im Normalfall eher selten vorkomme, betont Weigel-Greilich.

Die Zukunft gehe ohnehin zu Leihrad oder E-Scooter ist die Stadträtin überzeugt. Gießen sei da bereits Vorreiter bestätigt der Bürgermeister. Der Anbieter »Next Bike« verzeichne bereits steigende Zahlen, demnächst werde man auch zusätzliche Haltestellen in der West- und Nordstadt einrichten, um die Akzeptanz fürs Leihrad auch außerhalb der studentischen Milieus zu erhöhen. Der Bau eines Fahrrad-Parkhauses und das Aufstellen von abschließbaren Fahrradboxen, sollen Pendlern zudem den zeitweiligen Abschied vom eigenen Drahtesel erleichtern.

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Der Vorverkauf für das 9-Euro-Ticket startet voraussichtlich am 20. Mai. Alle weiteren Fragen, die sich aus dem wohl größten Experiment in Sachen Verkehrswende in diesem Land ergeben, haben die SWG in einem Faltblatt zusammengefasst, dass man in der Mobilitätszentrale erhält. Aktuelle Informationen findet man zudem jederzeit im Internet unter der Adresse: www.stadtwerke-gießen.de/9euroticket.

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