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Keine Maskenpflicht in Praxen mehr?

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Von: Frank-Oliver Docter

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So sind wir es seit Langem gewohnt: Arzt und Patient tragen in der Praxis eine Maske. Symbolfoto: Bodo Schackow/dpa © Red

Vertreter von Ärztenetzwerken aus Gießen und Umgebung äußern sich zu der jetzigen Forderung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und schildern ihre Erfahrungen im Praxisalltag.

Gießen . Seit heute gilt in den öffentlichen Verkehrsmitteln (ÖPNV) keine Maskenpflicht zum Schutz vor dem Coronavirus mehr, so natürlich auch in Gießen und Umgebung. Anders sieht das laut Infektionsschutzgesetz des Bundes bei Arztpraxen, Krankenhäusern und Pflegeheimen aus. Insbesondere bei den letzteren beiden Einrichtungen sind Personal wie auch Besucher weiterhin dazu angehalten, eine Atemschutzmaske im sichereren FFP2-Standard zu tragen. In Kliniken und Heimen ist darüber hinaus vor dem Zutritt von Besuchern ein negativer Antigen-Schnelltest vorzuzeigen, der nicht älter als 24 Stunden sein darf. Bei Praxen hingegen scheint dies im Alltag, gerade aus Sicht der Patienten, nicht ganz so einheitlich gelebt und verlangt zu werden.

Infektsprechstunde

Dieser Eindruck verstärkt sich noch durch die jetzt erhobene Forderung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), die Maskenpflicht auch für Arztpraxen und andere medizinische Einrichtungen sofort aufzuheben. Der Anzeiger hat beim Gesundheitsnetz Gießener Hausärzte (GNGH), Ärztenetz Kreis Gießen (ÄNGie) und Hausärzteverband Hessen nachgefragt, um zu erfahren, wie man jeweils über die KBV-Forderung denkt und welche Erfahrungen man in Kollegen- und Mitarbeiterkreisen mit dem Tragen der Mund-Nasen-Maske macht.

Nachdem er ein Meinungsbild der Arztpraxen des Netzwerks eingeholt habe, übermittelt GNGH-Sprecher Witold Rak den »aktuellen Grundtenor«, demnach hier »die Maskenpflicht vorerst bestehen bleibt«. Und ebenso die gesonderten Infektsprechstunden, die mit Pandemiebeginn eingeführt wurden und die helfen, Patienten mit Infekten und Fieber von anderen abzusondern. »Wir haben eine Fürsorgepflicht für unsere älteren und chronisch kranken Patienten«, macht der Gießener Facharzt für Allgemeinmedizin deutlich. Allerdings sei das Infektgeschehen auch »weiterhin Schwankungen unterlegen und schwer in der Prognose«, sagt der Mediziner.

Bei dem ÄNGie-Vorsitzenden Prof. Ali Erdogan klingt das schon etwas anders. Der Gießener Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie lässt wissen, dass er und die Mehrheit seiner Kollegen die Forderung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung »unterstützen«. Gerne hätte Erdogan die bundesweite Aufhebung der Maskenpflicht in Arztpraxen schon zusammen mit der beim ÖPNV gesehen. Am liebsten »so früh wie möglich«.

Dies sollte spätestens geschehen, sobald die Grippewelle Ende Februar, Anfang März wieder abebbt. Erdogan hält die neue Regelung zum Masketragen, dies auf medizinische Bereiche zu begrenzen, »so im Alltag für nicht durchführbar«. Zudem würden manche Patienten ein und dieselbe Maske bereits tagelang mit sich in der Tasche herumtragen, sodass diese entsprechend mit Keimen belastet sei, nennt er als weiteres Argument.

Für »die Verlagerung der Verantwortlichkeit in die einzelnen Praxen« spricht sich hingegen Michael Thomas Knoll aus. Der Zweite Vorsitzende des Hausärzteverbands, der eine Praxis in Lich betreibt, möchte seine eigenen Patienten auch weiterhin zum Tragen der Schutzmaske auffordern, wenn sie in die Sprechstunde kommen. Dies werde bereits vor dem Betreten an der Haustür mit Masken-Symbol und wenigen Worten jedem klargemacht. Wird dem nicht Folge geleistet, erinnern er oder seine Mitarbeiter »nett, aber bestimmt« an diese Regelung. Nach Ansicht von Knoll ist es nicht zuletzt wegen der aktuellen Grippewelle und der mit entsprechenden Symptomen in die Praxen kommenden Patienten noch zu früh, auch hier gänzlich auf die bewährte Nase-Mund-Abdeckung zu verzichten.

Tröpfchen-Schutz

Neben dem Risiko, sich im Wartezimmer bei einem Menschen mit einem »stummen«, also noch nicht in Husten übergegangenen Infekt anzustecken, sieht Witold Rak durch die Maske auch Vorteile für den Arzt selbst. Denn diese »reduziert die Verrenkungen, die man macht, um von der Seite abzuhören und den Patienten dazu zu bringen, einem nicht direkt ins Gesicht zu blasen«, beschreibt er eine typische Situation während der Untersuchung. Abgesehen davon würde die Maske »nicht nur vor Covid-Infekten, sondern auch anderen Erkrankungen, die durch Tröpfchen übertragen werden, schützen«, gibt Rak zu bedenken.

Manche Patienten schätzten zudem ihre Erkrankung »als sehr banal ein« und kämen somit nicht gleich in die von vielen Praxen organisierten Infektsprechstunden. Überdies werde immer wieder beobachtet, dass ein Schnelltest trotz vorliegender Infektion »erst drei bis vier Tage später positiv erscheint«, berichtet Witold Rak. Eine erneute Diskussion über die Maskenpflicht in Arztpraxen kann seiner Ansicht nach erst erfolgen, »wenn die Infektwelle durch ist«, also im April oder Mai.

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