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Kinder noch mehr in Blick nehmen

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Seit zehn Jahren gibt es beim Kinderschutzbund Gießen die Beratungsstelle »Lösungswege«. Therapeutische Arbeit wird dort zwar ncht geleistet, Feingefühl braucht es aber natürlich trotzdem.

Gießen. Wer es symbolisch sehen mag, der wird schnell fündig: Die Beratungsstelle »Lösungswege« des Kinderschutzbundes Gießen residiert im Keller eines Gebäudes in der Marburger Straße 54. Ein gutes Bild dafür, dass hier nicht im hellen Licht die sonnigen Seiten einer Partnerschaft beleuchtet werden. Dort geht es nach eigener Definition um die Beratung zu »Fragen in der Familie, zu Trennung und Scheidung, zur Ausübung der gemeinschaftlichen elterlichen Sorge und zum Umgangsrecht«. Themen, die man eigentlich jedem partnerschaftlichen Zusammenleben - und vor allem den Kindern - ersparen möchte.

Doch die Welt ist nun mal nicht so. Dennoch sieht Gerhard Merz als Vorsitzender des Orts- und Kreisverbands Gießen im Deutschen Kinderschutzbund einen »freudigen Anlass zum Feiern«. Denn die Beratungsstelle für Stadt und Landkreis Gießen besteht bereits zehn Jahre. Und mit dem Umzug in die neuen Räume konnte »Lösungswege« sein Beratungsangebot erweitern. Durch die Einstellung von drei zusätzlichen Beraterinnen umfasst das Team unter Leitung von Gabi Keiner inzwischen sechs Fachkräfte, allesamt weiblichen Geschlechts. »Wir können nun mehr die Kinder in den Blick nehmen, können mehr mit den Kindern arbeiten«, sagt Keiner. Dabei stellt sie aber auch klar, dass in der Marburger Straße keine therapeutische Arbeit geleistet wird, dass es alleine um die Beratung geht.

Belebende Vielfalt

Gerhard Merz hebt das hervor, als er die Gründung von »Lösungswege« im Jahr 2012 rekapituliert. »Das war das erste Mal, dass die Stadt Gießen eine öffentliche Aufgabe des Jugendamtes an einen Freien Träger delegiert hat.« Voraussetzung sei allerdings gewesen, dass der Kinderschutzbund sehr gut zu dieser Aufgabe gepasst habe. Vor zehn Jahren habe die Stadt sehr unter einem Haushaltsdefizit gelitten und es sei keine Stellenausweitung möglich gewesen, berichtet Gießens Jugenddezernentin Gerda Weigel-Greilich.

Deshalb habe es sich um eine gute Lösung gehandelt, zumal Vielfalt das Geschäft belebe. »Wir haben ein anderes Level der Qualität erreicht«, zeigt sich auch Holger Philipp vom städtischen Jugendamt sehr angetan von der Zusammenarbeit. Und er betont: »Hier sind Fachleute am Werk.«

Kultursensibilität

Mit im Boot ist übrigens auch der Landkreis Gießen. Und der hat fast genau pünktlich zum kleinen Jubiläum ein neu entwickeltes Konzept einer »Konfliktregulierenden Beratung« präsentiert. Demnach müssen Eltern kurzfristig einen Beratungstermin bei »Lösungswege« wahrnehmen, wenn es bei »hochstrittiger Elternschaft« vom Jugendamt des Kreises angeordnet wird.

Überhaupt präsentiert sich die Beratungsstelle als eine sich dynamisch entwickelnde Institution. Nach Gesprächen über die Grundstruktur vor zwei, drei Jahren trage der jetzige Stand in eine »überschaubare Zukunft« und sei die derzeitige Situation »sehr zufriedenstellend«, bewertet es Gerhard Merz. Dabei stehen die Fachkräfte immer wieder vor neuen Herausforderungen. So schildert Gabi Keiner, dass inzwischen 50 Prozent der Eltern und Kinder über einen Migrationshintergrund verfügten. Seit 2015 werde oft nicht Deutsch gesprochen. »Wir benötigen viele Dolmetscher.« Diese Vielfalt erfordere auch viel Feingefühl von den Beraterinnen. Diese Kultursensibilität »müssen wir oft erlernen«, berichtet Ursula Maier-Elischer, eine der Fachkräfte, die von Anfang an dabei ist.

Das Jugendamt leite die »Menschen in Not«, so Maier-Elischer, weiter an »Lösungswege«, wo versucht werde, für die Eltern Brücken zu bauen. Je früher sie helfen könnten, desto besser sei das für das Kind, wenn die Eltern sich trennten. Dazu gehörten auch intensive Gespräche mit den Kindern, die durch die Kapazitätsaufstockung jetzt besser möglich seien. Weitere wichtige Arbeitsfelder seien der »begleitende Umgang«, um Konfliktfälle durch das Umgangsrecht zu mildern, und die Vertretung des Jugendamts bei Terminen vor dem Jugendgericht, gibt Maier-Elischer Einblick in ihre tägliche Arbeit.

Und wer das neue Domizil von »Lösungswege« in der Marburger Straße ganz praktisch sehen will: Der Zugang durch den Hinterhof ist barrierefrei. Was man für die gesamte Arbeit dieser wichtigen Institution wünschen möchte.

Weitere Info und Kontakt: telefonisch unter 0641/495503-20, per Fax an 0641/495503-22, per E-Mail an info@loesungswege-giessen.de oder auf der Internetseite www.loesungswege-giessen.de.

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Um in Konfliktfällen zu vermitteln, ist viel Feingefühl erforderlich. Je früher geholfen werden kann, desto besser ist es für das Kind. Symbolfoto: dpa © Red

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