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Klangausflüge mit Birbyne

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Laubach. Einen hochmusikalischen Spaß machte sich das Duo »Jazzical Class« in der Konzertreihe der Hessenbrückenmühle. Klarinettist Žilvinas Brazauskas und Perkussionist Peter Fleckenstein spielten ein grenzüberschreitendes Programm von Johann Sebastian Bach bis Hildegard Knef und überzeugten den ausverkauften Saal mit herausragender Musikalität.

Beide jungen Musiker wurden an der Hochschule für Musik Hanns Eisler ausgebildet und sind Stipendiaten der Deutschen Stiftung Musikleben. Ihr Auftakt war klassisch: mit Bachs Präludium und Fuge in e-Moll (das wohltemperierte Klavier, erster Teil), allerdings mit Klavier und Marimbaphon. Für die »Italian Sketches« seines Landsmanns Vytautas Germanavicius zog der Litauer Brazauskas, Jahrgang 1991, anschließend eine Birbyne heraus, ein litauisches Volksinstrument. Er spielte diese Hornpfeife mit punktuellem, sanftem Überblasen und einigen Effekten, was anmutete wie an- und abschwellende Windstöße. Ein kleiner exotischer Klangausflug.

Ein Glanzlicht folgte mit Alexej Gerassimows (geboren 1987) »Asventuras«, ein Snaredrum-Solo für den Münchner Fleckenstein. Er begann nur mit den Schlagzeugstöcken und Rhythmusvariationen und steigerte sich dann über die diversen unterschiedlich klingenden Teile der Trommel bis zu einem rauschenden Crescendo. Das Konzert bot auch träumerisch zarte Momente wie G. H. Greens »Valse brilliante« mit dem etwas grellen Xylophon als Soloinstrument, ansonsten jedoch mit leichtfüßiger Präzision und Emotion gespielt.

Eigens für das Duo schrieb Oliver Korte, Jahrgang 1969, »Ludwig W.«: eine Synthese von Vibraphon (mit verschiedenen Stöcken gespielt) und Klarinette, angereichert mit gesprochenen Texten, was an die Dada-Kunst der 1920er Jahre erinnerte. Auf einer kontinuierlichen Tongrundlage wurden dabei Grenzbereiche ausgelotet: versiert umgesetzt, aber nicht unterhaltsam.

Im zweiten Teil dominierte eher der Jazz, angefangen mit George Gershwins »I got rhythm« mit Vibraphon und Klavier. Ein schöner, fast barmäßiger Groove mit freien Elementen oder auch mal einem kleinen Rumba. Der Einsatz der Bassklarinette wertete Astor Piazzollas doch etwas abgenutzten »Libertango« klanglich auf, auch in Kombination mit den schönen Vibraphoneffekten. Das war leichtfüßig gespielt und temperamentvoll.

Blues als Eigenkomposition

Die erste und einzige Eigenkomposition des Abends war ein Blues. Er war jazzig phrasiert, abwechslungsreich und bot einen Abstecher auf die legendäre »Route 66«. Ein szenisches Intermezzo eröffnete sich dann mit Fleckensteins »Der Wartesaal«, worin szenische Elemente zugleich perkussiv realisiert wurden, teils in dualer Choreografie. Die geklatschten Akzente waren flamencoreif, dazu sprang und steppte der Musiker, während der Groove sicher trug - das Publikum war aus dem Häuschen.

Ein weiteres Glanzlicht des heiteren Abends war der »Kleine grüne Kaktus« der Comedian Harmonists, mit einem frechen Xylophon zum Klavier. Der Gassenhauer wurde mit unwiderstehlichem Schwung und lässigen Rhythmusvariationen präsentiert. Dafür gab es Ovationen und Bravorufe.

Schließlich spielte das Duo Hildegard Knefs Chanson »Eins und eins das macht zwei« mit einer Kombination von exzellenten Klavierläufen und einem eleganten Marimbaphon: eine so überraschende wie gelungene Umsetzung des Stücks. So macht das Duo Hoffnungen auf eine spannende weitere Entwicklung.

Als Zugabe bot es dann noch ein Kabinettstückchen: »Pass auf, kleine Ruth« von Kurt Engel, das nicht nur an die Stummfilmära erinnerte, sondern auch für hurtige Platzwechsel der beiden Akteure sorgte, die beide gleich gut Klavier spielen - herrlich.

Die Konzertreihe in der Laubacher Hessenbrückenmühle wird am Sonntag, 7. August (18 Uhr), mit dem Trio Marvin und Werken von Beethoven und Mendelssohn-Bartholdy fortgesetzt.

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