Kluftinger bestellt eine Pizza

Das Autorenduo Klüpfel und Kobr glänzt in der voll besetzten Kongresshalle mit einem neuen Roman um den bekannten Kommissar aus dem Allgäu.
Gießen. Es gibt Ermittler, die sind angesichts ihres schwer auf die Schultern drückenden Berufsalltags abgebrüht, zynisch oder gar verzweifelt. Und es gibt den Kriminalhauptkommissar Kluftinger, den schon sein Allgäuer Dialekt als manchmal ruppigen, aber auch gemütlichen und bisweilen etwas bräsigen Polizisten kenntlich macht. Er ist ein Mann, der nicht nur mit ominösen Leichenfunden, sondern auch mit manch einem Alltagsproblem zu kämpfen hat - etwa der telefonischen Bestellung einer Pizza.
Leichenfunde und Alltagsprobleme
Die Fälle dieses eher durchschnittlichen, dafür aber umso unterhaltsameren Kommissars aus der kleinen Marktgemeinde Altusried tief im bayerischen Süden stammen aus der Feder des Autorenduos Klüpfel & Kobr, das damit vor 20 Jahren eine einzigartige Erfolgsgeschichte in Gang setzte. Und die schreiben die beiden nahbaren Allgäuer bis heute fort. Die Gießener Kongresshalle war wieder einmal vollbesetzt, als das Duo am Dienstagabend den aktuellen, zwölften Fall »Affenhitze« vorstellte, in dem es um einen mysteriösen Knochenfund in einer Tongrube geht, in der Professor Brunner vor einiger Zeit das berühmte Skelett des Urzeitaffen »Udo« ausgebuddelt hat.
Doch daneben geht es in diesem Roman auch um ganz andere Sachen. So wählten die beiden Autoren für ihren Bühnenvortrag etwa das Kapitel aus, in dem der bayerische Ministerpräsident der Allgäuer Provinz seine Aufwartung macht und den verschüchterten Kommissar ob seiner Prominenz ins Stottern bringt. Kobr wählt für die Sätze des Politikers ein weiches, dem Publikum wohlbekanntes Fränkisch - was sein Gegenüber zu der skeptischen Frage brachte, ob man »das jetzt wirklich so politisch machen muss?!« Worauf sich nicht nur eine amüsante Debatte entspannte, sondern auch die Stimmen und Dialekte von Stoiber, Strauß und den angeblich zukünftigen Nachfolger Söders zu hören waren.
Überhaupt: der Dialekt - eines der wichtigsten Elemente der Kluftinger-Geschichten. Wunderbar etwa die Szene, in der der Kommissar bei seinen Eltern anruft, weil er ihnen ein paar alte Fundstücke für den von seiner Gattin Erika organisierten Benefiz-Flohmarkt abschwatzen will. »Ist was passiert?«, fragt seine betagte Mutter, gleich nachdem sie den Hörer in die Hand nimmt. »Nein«, versichert er mit schlechtem Gewissen - um insgeheim zu kalkulieren, wie lange er nun wohl einen Small Talk über Wetter, Fernsehen, Essen führen muss, bis er endlich sein wahres Anliegen vortragen kann. Mit dieser treffenden Szene zeigen Volker Klüpfel und Michael Kobr: Kluftinger kalkuliert in diesem Fall zu knapp.
Was ihre Geschichten um diesen Ermittler so amüsant macht, ist der genaue Blick aufs allgemein bekannte Detail, dem sie jede Menge Komik abgewinnen können. Ob sich der bildungsferne Kommissar also bei der attraktiven Bibliothekarin ein Buch ausleihen will oder ob er sich mit seiner Ehefrau in eine Debatte verstrickt, von welchen in der Garage dauerhaft abgelegten Gegenständen man sich trennen kann - und von welchen nicht: Stets stellt sich das Gefühl ein, diese Szene so oder ähnlich selbst schon mal durchlebt zu haben.
Und weil die beiden Autoren ihrem Publikum eben keine klassischen Lesungen sondern Leseshows versprechen, reicherten sie ihren stets dialogisch und ziemlich schauspielerisch perfekt gesprochenen Vortrag immer wieder mit Fotos, Filmen und vor allem kurzen, gewitzten Debatten an, mit denen die angeschnittenen Romanthemen weiter vertieften.
Bestseller seit 20 Jahren
Klüpfel, ein ehemaliger Zeitungsredakteur, und Kobr, ein ehemaliger Realschullehrer, gelang mit ihrer im Jahr 2003 eingeführten Figur Kluftinger für einen beispiellosen Erfolg. Rund 4,5 Millionen verkaufte Bücher gibt es bislang, dazu mehrere Fernsehverfilmungen mit dem bekannten Schauspieler Herbert Knaup, was maßgeblich zum Erfolg der Regionalkrimis in den vergangenen zwei Jahrzehnten beitrug.
Und noch immer gehen Klüpfel und Kobr die originellen Ideen nicht aus. Wie Kluftinger - im Zugabenteil vorgelesen - zusammen mit Erika bei seinem Sohn und dessen Frau auftaucht und für das Quartett Pizza beim lokalen Italiener bestellen will, das zählte tatsächlich zum Besten, was das Allgäuer Duo an diesem Abend auf die Bühne brachte.
