Konsumwahn und Katy Perry

Gießen (lix). Ein »Diss-Text« über die amerikanische Sängerin »Katy Perry«, Auszüge über »seltsame Infektionskrankheiten« wie die Schwangerschaft, oder leidenschaftliche Beiträge, die den heutigen Konsumwahn anprangern - auch bei der 13. Auflage des Poetry Slams im Jokus zogen die sechs antretenden Wortakrobaten und Wortakrobatinnen alle Register und kämpften um die Gunst des Publikums und die wie immer spektakulären Preise:
Ein Hanuta, eine Tafel Schokolade sowie eine Packung handgerösteter Cashewkerne. Dabei kam es auch zu einem Novum.
Denn an diesem Abend gab es - Achtung Spoiler-Alarm - gleich zwei Gewinner, die sich mit den Köstlichkeiten ihren Heimweg versüßten. Doch der Reihe nach: Tobias Beitzel aus Bad Berleburg eröffnete den Dichterwettstreit und brachte die Zuschauer mit seinem Text »Katy Perry macht Urlaub auf Amrum« direkt auf Betriebstemperatur. »Katy Perry - der Inbegriff der nichtssagenden Musik. Mit Texten, als hätte man die Zeitschrift Bravo vertont. Wer so was hört, der schaut keine Tagesschau. Wer so was hört, für den ist Wolodymyr Selenskyi ein erfolgreicher Biathlet und Zweiohrküken ein Filmklassiker,« polterte der Südwestfale.
Kabarettist Daniel Wagner befasste sich bei seinem Auftritt mit der »seltsamen Infektionskrankheit Schwangerschaft«. Was folgte, war ein Ratgeber der etwas anderen Art. »Die Schwangere isst ja längst nicht mehr das, was sie möchte, sondern das, was der Fötus befiehlt. Nehmen Sie genügend Calcium zu sich, sonst holt es sich das Baby aus den Knochen. Wenn Sie nicht das essen, was das Baby Ihnen befiehlt, dann frisst es Sie von innen auf.« Der aus Lörrach bei Basel stammende, zweimalige Vizemeister bei den deutschsprachigen Meisterschaften im Poetry Slam, arbeitete geschickt mit Überzeichnungen und überzeugte dabei auch mit seinem Mienenspiel. »Bis der Zwerg in die Schule kommt, versklavt er die Eltern,« so Wagner.
Frei und mit viel Leidenschaft trug der »Senior« der Runde, Wehwalt Koslovsky, seinen hochaktuellen Beitrag »Zurück zur Zukunft« vor - und legte dabei den Finger immer wieder in die Wunde. »Egal wohin, egal wie weit, gepriesen sei die Möglichkeit. Denn Wege sind, wo Wille ist, wen stört’s, wie viel der Motor frisst. Von einem Ende der Welt zum anderen, zum Shoppen, Tauchen, oder Wandern. Das war und ist seit langer Zeit, für viele Selbstverständlichkeit. Die Welt ist aus dem Gleichgewicht, das Zauberwort es heißt Verzicht. Doch wenn es ums Verzichten geht, gibt’s keinen, der gerne vorne steht.«
Der Schriftsteller und Lyriker, der in seiner aktiven Karriere schon 400 Poetry Slams gewonnen hat und seit 1994 an über 2500 Lesungen und Dichterwettbewerben teilnahm, sicherte sich mit seinem kritischen Text über den Konsumwahn und Mobilität einen von drei Finalplätzen.
Diesen verpasste Künstlerin »Free« knapp, die mit ihrem Beitrag in eine ähnliche Kerbe schlug. »Die Menschen sind der Menschlichkeit leid, die Menschen haben keine Zeit. Keine Zeit, den Planeten zu retten, keine Zeit, die Grenzen zu durchbrechen. Wir sind die Zukunft, wir haben die Macht. Wir können etwas ändern, nur fehlt uns die Kraft,« lauteten etwa die Zeilen der jungen Frau.
Lokalmatadorin »Jenny« bestand ihre Feuertaufe mit Bravour und wählte dabei sogar den steinigeren Weg. Statt auf die vermeintlich leichtere Karte »Humor« zu setzen, überraschte sie bei ihrem ersten Auftritt mit einem persönlichen Text über eine gescheiterte Beziehung. »Es ist Sommer, du, ich, ein Lagerfeuer. Du nimmst meine Hand, ich halt sie fest, gebe dir mein Herz als Pfand, weil, weil du bist anders, als der Rest. Man sagt, lass den Dingen ihren Lauf, drei, zwei, eins - ich wache auf. Es fühlt sich anders, als ob ich dich nicht halten kann. Es ist Herbst, ich glaube, du hast es bemerkt.«
»Ich habe einen Text geschrieben, der positive Selbstaffirmation heißt. Ich habe mir danach gesagt: Da hast du dir aber einen schönen Titel ausgesucht,« eröffnete Ruhrpottler »Sebastian 23« aus Bochum seinen Part und löste mit seinem folgenden Beitrag ebenfalls das Ticket zur Finalteilnahme. Das klang dann etwa so: »Ich will nicht mehr neidisch sein. Klebt euch ruhig fest auf die Straße. Ich kippe mir Red Bull in den Tank, das verleiht meinem SUV Flügel und dann fliege ich über die Klimaleute einfach hinweg. Ich fliege einfach über das ganze Klima hinweg, wer will mich aufhalten?«
Neben »Sebastian 23« und Koslovsky zog Tobias Beitzel ebenfalls in die Endrunde. »Danke, dass ich im Finale die Seniorenbetreuung übernehmen darf,« freute sich dieser augenzwinkernd für seine erfahrenen Mitstreiter und lieferte sich mit Beiden im Anschluss ein Kopf-an-Kopf-Rennen um den Tagessieg. Den sich letztendlich »Sebastian 23« und Tobias Beitzel teilten, während Wehwalt Koslovsky den zweiten Platz samt »Hanuta« ergatterte.
Der nächste Poetry Slam findet am 18. Mai statt. Karten kosten 12 Euro.