Kontrapunkt zur lauten Welt
Gießen. Unter dem Titel »Tod und Paradies. Friedberger Passion. Ein Stundenbuch« legt der Kunsthistoriker und ehemalige Gießener Kulturamtsleiter Dr. Friedhelm Häring sein neustes Buch vor. Es geht um Meditationen zu den Kreuzwegstationen, die die Künstlerin Lioba Munz (1913-1997) für die Filialkirche St Anna in dem Friedberger Ortsteil Dorheim geschaffen hat.
Und um das Urteil gleich vorweg zu nehmen: Das mit 40 Farbabbildungen ausgestattete Buch aus dem Fuldaer Imhof Verlag besticht gleichermaßen durch die zu entdeckende künstlerische Kraft der Emaillearbeiten von Lioba Munz wie durch die einfühlsamen Meditationen des Autors zu den Kreuzwegstationen.
Bekannt wurde die aus Bingen stammende und in ihrem Fuldaer Kloster gestorbene Ordensschwester vor allem als Goldschmiedin, die zahlreiche Werke sakraler Kunst fertigte. Zusammen mit ihren Mitarbeiterinnen fertigte sie ab 1950 überwiegend sakrale Kunstwerke und liturgische Geräte in Goldschmiedetechnik für zahlreiche Kirchen.
Im Zentrum des Geschehens
Zentrale Idee des Werkes in Dorheim ist die Überwindung des Todes durch die Liebe Gottes, wie sie sich in der Passion Christi spiegelt. In seinem Vorwort betont Häring, der von 1978 bis zu seiner Pensionierung 2012 Direktor des Oberhessischen Museums war, dass das Leben und Schaffen der Nonne Lioba Munz einen spirituellen Kontrapunkt setzt zur lauten und materialistischen westlichen Welt.
Schon die erste Meditation führt ins Zentrum des Geschehens. Mit dem purpurnen Umhang als Herrschaftszeichen richtet Pilatus über Jesus. In eindringlichen Formen, mit linearen Strukturen, klaren Farbflächen, Verkürzungen, Überschneidungen und dem freien Umgang mit der Motivwelt zeigt Lioba Munz Christus vor Pilatus. In der zweiten Kreuzwegstation nimmt Jesus das Kreuz auf seine Schultern. Als Zeichen der Liebe Gottes zu uns Menschen stirbt er den schmählichen Kreuzestod. Die dritte Kreuzwegstation zeigt den Erlöser, wie er unter der Last des Kreuzes zusammenbricht. Das Fallen unter dem Kreuz interpretiert Häring als Symbol für die Seinsvergessenheit des modernen Menschen. Der Verlust der Achtsamkeit führe zur Sinnentleertheit des Daseins.
In insgesamt 14 Stationen folgen die Leser dem eindringlich und mit viel Liebe gestalteten Kreuzweg. Häring betont in seinen meditativen Texten die menschliche Sterblichkeit und zitiert in diesem Zusammenhang das berühmte Gedicht »Stufen« von Hermann Hesse, das selbst für die Todesstunde noch eine transzendente Perspektive entwickelt.
Im abschließenden Kapitel »Tod und Paradies« betont der Autor die alles verzeihende Macht der Liebe Gottes. So zeigt sich dieser schmale Band als Weihnachtsgeschenk bestens geeignet.
Friedhelm Häring: Tod und Paradies. Friedberger Passion. Ein Stundenbuch. 64 Seiten, 40 Farb-Abbildungen. 16,95 Euro. Imhof Verlag.