Kraftvoll und in schönster Harmonie

Zwei Konzerte des Chores »Chorona« locken Hunderte Besucher in die Gießener Kirchen St. Albertus und St. Thomas Morus. Das Motto lautet »Adventsfeuer«.
Gießen. Lange Besucherschlangen vor der festlich geschmückten Kirche St. Albertus: Der gemischte Chor »Chorona - Der Chor bei Gießen« hat sich nach dreijähriger, Pandemie-bedingter Pause wieder auf ein großes Konzert vorbereitet. »Adventsfeuer« lautet der Titel. Vom Kirchenraum aus hält der Chor Einzug: 50 bis 60 Sängerinnen und Sänger kommen auf die Bühne, schwarz gekleidet mit goldenen Accessoires. Ein eindrucksvolles Bild, das sich tags darauf beim zweiten Konzert in der Kulturkirche St. Thomas Morus wiederholt. Zuletzt erscheint Chorleiter Dr. Thomas Kreiling. Er hebt in die Hände: Feinstimmiger Einsatz zum Auftakt mit »Cum Ortus« von einem litauischen Komponisten. Die hohen Soprane klingen auf, als wirkungsvoller Kontrast sind in der anderen Ecke des mehrreihig aufgestellten Chores die tiefen Bässe zu hören.
Ein gesellschaftliches und musikalisches Phänomen dieser Tage: Nach der langen Corona-Unterbrechung ist ein wahrer Run der Chöre, Orchester und professionellen Musiker auf die Bühnen der Stadt und weit darüber hinaus zu beobachten. Alle wollen hinaus in die Öffentlichkeit, um die Früchte schwieriger Probenzeiten vorzustellen.
Der »Chorona« ging es da nicht anders, wie die beiden Chormitglieder Ruth Augustin und Antal Wahlers schildern, die das Konzert moderierend begleiten. »Wir sind ein großer Chor, der die Corona-Chorona-Pause nahezu unbeschadet überstanden hat, dank des unermüdlichen Einsatzes von Chorleiter und Vorstand«, betont Ruth Augustin.
Wer »Chorona« noch nicht kennt: Den Chor gibt es seit 2005, von Anfang an von Thomas Kreiling geleitet. Der offizielle Name lautet »Chorona Buseck« (wo auch noch die Proben stattfinden), inzwischen sprechen die Mitglieder aber lieber vom »Chor bei Gießen«. Auf der Internetseite ist zu lesen: »Musikalisch schrecken wir vor keiner Musikrichtung zurück. Mit Stücken von Mozart bis Rammstein, Gospel, Volksliedern und auch moderner Chorliteratur zeigen wir die ganze Bandbreite der Chormusik.«
Nun präsentierten Thomas Kreiling und seine Sängerinnen und Sänger ein modernes Programm. Als einziges deutsches Weihnachtslied (einmal abgesehen vom Weihnachtsmedley und der Zugabe) war »Leise rieselt der Schnee« zu hören, gleichwohl in einer ungewöhnlichen Interpretation. Leiser Beginn als Kanon in allen Stimmlagen, bis sich dann allmählich die Melodie herausbildet. Dieses Lied wird in einer Präzision und Herzenswärme dargeboten, die auch den weiteren Verlauf des anspruchsvollen Konzerts charakterisieren wird.
Arrangement und Abwechslung werden groß geschrieben. »Entreat me not to leave you« und das bekannte »Look at the World« begeistern mit ihrer Ausdrucksstärke das Publikum. Der Chor zeigt keine Angst vor Dissonanzen, kraftvoll wechseln Sängerinnen und Sänger Halbtöne, in dem Wissen, dass sich im nächsten Takt wieder alles in schönste Harmonie auflöst.
Mit Temperament und Rhythmus
Simon Danckworth, der viele Stücke auf dem Klavier begleitet, spielt nun auch eine kleine Eigenkomposition. Während der melodiösen Klavierakkorde verlassen die Sängerinnen und Sänger nach und nach leise die Bühne.
»Brightest and best«: Mit diesem klangvollen amerikanischen Song kehren die Männer zurück, nur die Männer! 29 Tenöre und Bässe in den besten Jahren zeigen, wie wunderbar ein reiner Männerchor klingen kann, sie werden vom Publikum mit einem Sonderapplaus belohnt.
Bekannte Lieder wie »Ave Maria« und »O Holy Night« gefallen durch anspruchsvolle Interpretationen und durch den engagierten Einsatz von Solisten, nach der Pause besticht vor allem das Lied »The Prayer« durch den emotionalen Vortrag eines Duos.
Doch zuerst noch einmal zurück vor die Pause: »Eisblumen« und »Tyger« sind wirkliche Höhepunkte des Abends, der Tiger fällt insbesondere durch sein Temperament und die Rhythmussicherheit auf.
Ein ehrgeiziges Repertoire: 20 anspruchsvolle Titel hat »Chorona« zusammengestellt. Auch die Lieder im zweiten Teil stammen meist aus dem angloamerikanischen Kulturkreis. »O Love«, ein Song nur für Frauenstimmen, überzeugt durch Klangfülle und Emotionen. »Misty Mountains Cold« ist als Hommage an J.R.R. Tolkien und »Der Herr der Ringe« zu verstehen - die Zuhörerinnen und Zuhörer werden in eine Traumwelt versetzt.
Auch im weiteren Verlauf des Konzertes spielen Performance und Arrangement eine entscheidende Rolle, die Musikalität natürlich nicht zu vergessen. Immer wieder tritt der Chor in neuen Positionen auf, Solisten überraschen mit kleinen Auftritten. Dass diese Vielfältigkeit so gut gelingt, ist Chorleiter Thomas Kreiling zu verdanken, der mit einer beeindruckenden Präsenz das Geschehen rundum im Blick hat, Solisten, hohe wie tiefe Stimmen begleitet und manchmal auch über schwierige Stellen hinweghelfen muss. Über zwei Stunden schafft er es vortrefflich, seine Leute zu motivieren und die Leistung auf höchstem Niveau zu halten.
Zum Schluss ist noch kurz herauszuheben: »Carnavalito Quebradeno«, ein lateinamerikanisches Tanzlied. Nicht fehlen darf ein Weihnachtsmedley, das in diesem Fall mehr vom lustigen Treiben im Schnee erzählt als vom Weihnachtsbaum in der Stube. Mit »Wakare no Toki«, ein japanisches Abschiedslied, sagt »Chorona« adieu. Danach folgt noch der Klassiker: »Stille Nacht, heilige Nacht«. Das Publikum ist hingerissen.