Kühe, Käfer und Geflügel

Die neue Ausstellung des Oberhessischen Künstlerbunds im KiZ zeigt Nutztiere wie Haustiere - allerdings keine süßen Katzenbilder.
Gießen. Auch der Oberhessische Künstlerbund (OKB) weiß um die im Internet so populären Katzenvideos und dergleichen - zeigt aber natürlich selbst keine naiven Tieraufnahmen. Vielmehr lädt er jetzt ganz nüchtern zu einer neuen Ausstellung mit dem Titel »Kunst und Tier« ins Kultur im Zentrum (KiZ) ein.
»Süße Katzenbilder fliegen sofort raus« heißt es ironisch im Untertitel, begleitet von einem absolut süßen Katzenbild. »Der Titel richtet sich nicht gegen die Katze,« klärte der Vorsitzende Dieter Hoffmeister auf, »wir wollen eine reflektierende Betrachtung. Das Tier hat ja in der Kunst eine lange Tradition«, erinnerte an die zahlreichen Tierporträts großer Künstler.
Kühe als gerettete Tiere
Christian Kaufmann, Kurator der Schau und Geschäftsführer der Frankfurter Heussenstamm-Stiftung, schaute zunächst in unser aller digitalen Alltag: »Das Erste, was einem auf Facebook entgegenkullert, sind niedliche Katzenbilder.« Das Netz sei voll von »Cat content«, der Ebene des Kitsches. »Aber die Kunstgeschichte ist voll von Kitsch«, wie etwa Jeff Koons zeige. In der Pandemie haben sich viele Menschen Haustiere zugelegt, von denen zahlreiche später in Tierheimen abgegeben wurden«. Für Kaufmann ist die Unterscheidung zwischen Haus- und Nutztieren schizophren.
Katharina Heiligenthals »Kuhporträts« zeigen für ihn etwa Bilder »geretteter Tiere«. Einige der Aufnahmen rückten die Nutztiere in ein anderes Licht. Man habe bei der Inszenierung der Schau bewusst keine Gruppen gebildet, tatsächlich sind die Arbeiten höchst unterschiedlich ausgefallen: Dieter Hoffmeister etwa nutzt Fischhäute, um »Bilder aus den Resten seiner Mahlzeiten zu zaubern«. Und auch aktuelle Themen werden in der Schau aufgegriffen: Thomas Wörsdorfer befasst sich in seiner großen Installation im Untergeschoss mit dem »Artensterben«.
In einem historischen Exkurs wies Kaufmann auf die ersten Tierdarstellungen in der Kunst hin, die aus der Zeit um 17000 vor Christus stammen: die Tier- und Jagdbilder in der Höhle von Lascaux. »Und dann gab es natürlich die Verkitschung mit dem Siegeszug des röhrenden Hirsches.« Hinzu komme die Gruppe der Felle und Häute. »Nicht zu vergessen »die Herde aus gestreiften Kartons im Untergeschoss«, sagte Kaufmann. Dort zeigt Karin Schweikhards unter dem Titel »Wo wollen sie nur hin?« eine Gruppe von käferähnlichen Wesen, die sich diffus zu bewegen scheinen. Eins der Tiere ist umgefallen und liegt auf dem Rücken - was die Fantasie des Betrachters auf erstaunliche Weise anregt.
Insgesamt zu sehen sind verschiedene, teils auch sich nicht gleich erschließende Arbeiten, aber gerade das macht den Reiz der Schau aus. Angelika Nettes merkwürdiger Suppenteller, in dem eine Gabel liegt und ein paar kleine Hirschfiguren schwimmen, sorgen etwa für einen interessanten Denkanstoß. Gleiches gilt für ihre »Chorthippus Dorsatus Serenissimae«, eine aus Naturmaterialien gefaltete und geschlungene Libelle, die lebendig und dynamisch wirkt.
Gleichsam über allen Werken schwebt Henrik Wieneckes »Geflügel«, ein gelblich lackiertes Metallwesen aus Stahl- und Gussteilen, das zwar ungeheuer stabil aussieht, aber zugleich auf eine verblüffend dynamische, natürliche Art vogelartig wirkt und im Flug konserviert scheint.
Anne Held zeigt in ihrem »Sonnenschein«, dem Bild einer in einem Zwinger eingeschlossenen Hündin, in Mischtechnik und Fotografie eine beeindruckende Lichtgestaltung. Zugleich weckt das Bild fast unwillkürlich Mitleid mit einer gefangenen und eingekerkerten Kreatur. Davon abgesehen erhalten die Nutztiere hier den Hauptteil der Aufmerksamkeit. Die beteiligten Künstler stellen sie jedoch - außer den eingangs genannten gehäuteten Fischen - eher figurativ dar, bei Susanne Jakob auch teilabstrahiert. Und Renate Bechtholds »Einfach nur Schafe?« sorgt fast für den Eindruck, Personen zu betrachten, Wesen mit Charakter jedenfalls. Es gibt viel zu entdecken.
Die Ausstellung ist bis zum 22. Januar zu sehen: Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr, montags geschlossen.
