Kunst inklusive

Die Lebenshilfe Gießen und die JLU veranstalten erstmals eine gemeinsame Sommerakademie, die Akademie 23. Ringvorlesungen starten ab Donnerstag.
Gießen . Wer durch die Galerie23 im Seltersweg streift, der findet dort Kunst sowohl von Menschen mit, als auch ohne Behinderung. Dabei, so Dirk Oßwald, Geschäftsführer der Lebenshilfe Gießen, »merken die Besucher nicht, was von wem ist. Die Kunst steht im Mittelpunkt«. Doch nicht nur bei der Präsentation der fertigen Werke soll es inklusiv zugehen, sondern schon bei deren Entstehung. Die Lebenshilfe Gießen veranstaltet daher gemeinsam mit der Justus-Liebig-Universität (JLU) in diesem Sommer erstmals die Akademie23 - eine interdisziplinäre und inklusive Kunst-Sommerakademie. Bereits am kommenden Donnerstag startet zudem die vorbereitende öffentliche Ringvorlesung.
Neue Impulse
Die überregionale Sommerakademie findet vom 24. bis zum 28. Juli als Blockwoche am Institut für Kunstpädagogik statt. Geplant sind fünf Workshops, jeweils ausgerichtet von zwei Kunstschaffenden, in denen Impulse zu verschiedenen künstlerischen Techniken und Herangehensweisen vermittelt werden.
Teilnehmen können sowohl die Künstlerinnen und Künstler des Atelier23 als auch Studierende der JLU. Zielgruppe sind hier vor allem die Studiengänge Kunstpädagogik und Angewandte Theaterwissenschaften. Eingeladen sind auch Angehörige der inklusiven Ateliers Geyso20 (Braunschweig), Kunstraum Nürnberg, Schlumper (Hamburg) und THIKWA (Berlin) und interessierte Studierende der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig.
»Alle werden wahnsinnig davon profitieren«, ist Prof. Martin Schepers (Institut für Kunstpädagogik) überzeugt und kann sich die Sommerakademie als Startschuss für eine dauerhafte Zusammenarbeit vorstellen. »Man kennt sich schon lange, aber jetzt arbeiten wir auch zusammen. Das hätten wir schon lange machen sollen«, findet Jörg Wagner, Künstlerischer Mitarbeiter am Institut. Die erste Idee für die Akademie23 entstand bereits 2018, die Corona-Pandemie und das Beantragen von Fördergeldern hätten das Projekt verzögert. »Ohne die Aktion Mensch wäre die Akademie23 nicht möglich«, betont Dirk Oßwald.
Entstehen werden die Werke direkt vor Ort in den Werkstätten am Institut. Die fünf Workshops befassen sich mit Fotografie, Malerei, Zeichnung und Collage, Skulptur und Plastik sowie Performance. Den Atelier23-Angehörigen ermöglicht das auch, Neues auszuprobieren: »Wir können im Atelier nicht alle künstlerischen Bereiche abdecken«, verdeutlicht Kurator Felix Lachmann. Gleichzeitig könnten durch das gemeinsame Arbeiten mit den Studierenden niedrigschwellig Begegnungspunkte geschaffen werden.
Die Ergebnisse im »Rohzustand« können bereits beim für den 28. Juli geplanten Abschlussfest am Institut begutachtet werden, eine Ausstellung der fertigen Kunststücke ist für das kommende Jahr geplant - sowohl im Atelier23 als auch im KiZ (Kultur im Zentrum). Rund 50 Künstler werden erwartet, »dabei entstehen viele Arbeiten, die wir natürlich auch zeigen wollen«, betont Galerie23-Kuratorin Andrea Lührig. Die Ergebnisse des Performance-Workshops sollen auf einer Bühne präsentiert werden. Auch ein Film sowie ein Ausstellungskatalog sind geplant.
Maren Müller-Erichsen, Aufsichtsratsvorsitzende der Lebenshilfe Gießen, kennt viele der Atelier23-Künstler schon seit Jahren. »Es ist beeindruckend, wie sie sich entwickelt haben.« Dass künstlerisches Talent von Menschen mit Behinderung gefördert wird und sie ihre Werke in Ausstellungen präsentieren, sei auch heute noch nicht überall selbstverständlich.
Die vorbereitende Ringvorlesung startet am kommenden Donnerstag, 27. April. Georg Theunissen, emeritierter Professor für Pädagogik bei kognitiver Beeinträchtigung und Pädagogik im Autismus-Spektrum an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, eröffnet mit dem Vortrag zum Thema »Starke Kunst von Außenseiter*innen« . Weiter geht es am 25. Mai mit dem Vortrag von Dr. Thomas Röske, Leiter der Sammlung Prinzhorn am Universitätsklinikum Heidelberg und der Frage: »Sollte man heute noch den Begriff ›Outsider Art‹ verwenden?« . Am 1. Juni spricht Constanze Schulze-Stampa, Professorin für Kunsttherapie an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen über »Inklusion inklusive« . Weiter geht es am 15. Juni mit »Curating Outsider Art - Ein anderer Zugang zur Kunst?« von Dr. Monika Jagdfeld, Leiterin des Museums im Lagerhaus St. Gallen. Den Abschluss machen Mark Schröppel (Schröppel Karau Art Repetition Technologies) und Friederike Jaglitz (Theaterensemble »Meine Damen und Herren«) mit »Welt ohne Euch - Selbstermächtigung im (inklusiven) Performancekontext« . Beginn ist jeweils um 18.15 Uhr im Georg-Büchner-Saal in der Alten Universitätsbibliothek, Bismarckstraße 37.