Lernen nach dem Lockdown

Bei einem Resilienztraining an der Liebigschule in Gießen üben Fünftklässler, wie sie miteinander und mit Krisen besser umgehen können.
Gießen . Geschlossene Schulen, Lernen am Küchentisch und Unterricht mit Maske: Die Corona-Pandemie hat Spuren bei vielen Schülerinnen und Schülern hinterlassen - nicht nur in Form von Wissenslücken, sondern auch in der sozialen Interaktion. »Die Kinder hatten noch gar keine Gelegenheit, sich gut kennenzulernen und aufeinander einzulassen«, hat Alexandra Renkawitz beobachtet. Die Licherin arbeitet als Lerncoach und hat kürzlich an der Liebigschule ein Resilienztraining mit den Fünftklässlern durchgeführt.
Jeweils drei Doppelstunden hat Alexandra Renkawitz mit den fünf Klassen verbracht. In das Training eingebunden waren auch die Klassenlehrerinnen und -lehrer, die Idee kam von Schulleiter Dirk Hölscher. Die Kinder sollten lernen, wie sie mit Problemen oder Veränderungen umgehen können. Gleichzeitig stand ein wertschätzender Umgang untereinander und der Zusammenhalt in der Klasse im Fokus.
Mimik hinter Masken
Warum gerade dieser Jahrgang? Die jetzigen Fünfer wären »während der maximal pandemischen Zeit im Homeschooling in ihrer Grundschule beinahe vergessen worden«, sagt Renkawitz. Das habe zu Defiziten geführt, auch im Umgang mit den Mitmenschen. »Der soziale Austausch beschränkte sich auf ein Minimum.« Auch Gestik und Mimik der Mitschüler kennenzulernen sei schwierig gewesen, da der Präsenzunterricht über lange Zeit nur mit Maske stattfand.
Hinzukommt das neue Umfeld mit dem Wechsel in die fünfte Klasse, denn die Kinder haben zuvor die unterschiedlichsten Grundschulen besucht, teils auch in umliegenden Landkreisen. In der weiterführenden Schule sei der Nachwuchs nun mit ganz »neuen pädagogischen, fachlichen, didaktischen, sozialen Bedingungen und Ansprüchen konfrontiert«.
In den Übungen hat die Licherin den Kindern unter anderem gezeigt, wie sie bei Konflikten deeskalierend agieren können, aber auch, wie sie die Körpersprache ihres Gegenübers richtig deuten. Auch Selbst- und Fremdwahrnehmung waren Thema: Aus einer Liste von Adjektiven hätten die Schülerinnen und Schüler etwa die zehn heraussuchen sollen, die sie selbst am besten beschreiben - etwa sportlich, hilfsbereit oder besonnen.
»Dabei waren sowohl Eigenschaften, die als Stärken angesehen werden, als auch welche, die als Herausforderungen angesehen werden.« Im weiteren Verlauf hätten die Kinder dann besprochen, an welchen Eigenschaften sie noch arbeiten müssen, um ein selbstgestecktes Ziel im Fokus zu behalten. Die einzelnen Lernübungen wurden durch kurze Bewegungseinheiten unterbrochen.
Und weil die Trainingsleiterin auch studierte Ernährungswissenschaftlerin ist, kam auch die richtige Nervennahrung nicht zu kurz. »Ich habe den Kids gezeigt, wie man mit einer optimierten Nahrungsmittelauswahl die Gehirnentwicklung unterstützen kann und wie wichtig auch die Auswahl des richtigen Getränks ist.« Denn Energydrinks oder Limonaden gehörten nicht in den Schulranzen, stattdessen sollte man lieber auf Wasser oder ungesüßte Tees setzen. Dass das Gelernte auch ankam und offenbar auch in den Familien besprochen wurde, habe sich im Verlauf des Trainings auch bei den Brotboxen gezeigt: »Am Anfang waren da Muffins und Müsliriegel drin, später gut belegte Brote und Gemüsesticks«, freut sich die Ernährungswissenschaftlerin.