Lieblingsheld: der Normalman

Im Porträt: Der wandelbare Ben Janssen verstärkt seit dieser Saison das Schauspielensemble des Stadttheaters Gießen.
Gießen. Wenn Ben Janssen mit seinen beiden kleinen Söhnen spielt, dann »gebe ich schon gerne dem Affen Zucker«. Andererseits zeigt sich der 35-Jährige im Gespräch mit dem Anzeiger eher als leiser, introvertierter Typ. Und wenn er auf der Bühne steht, »ist mir der Applaus eigentlich gar nicht so wichtig«, sagt der zu Beginn dieser Spielzeit ans Stadttheater Gießen gekommene Neuzugang. Für eine Schauspielkarriere ist eine solche charakterliche Ambivalenz ganz sicher keine schlechte Voraussetzung, zumal Janssen sie als Darsteller geschickt zu nutzen versteht.
In dem aktuell laufenden Schauspiel »Mädchenschule« sitzt er zu Beginn inmitten der Zuschauer, als sein Handy klingelt und dieser Lehrer eines Gymnasiums peinlich berührt mit seiner Ehefrau am anderen Ende der Leitung spricht. Weil Janssens Gesicht dem Gießener Publikum bislang noch kaum bekannt ist, bietet dieses Szene einen schönen Überraschungsmoment. Wer ist denn dieser Mann, der da so peinlich berührt aus seinem Sitz aufsteht und linkisch auf die Bühne stolpert?!
Es ist ein Künstler, den seine Vielseitigkeit und Wandelbarkeit innerhalb kürzester Zeit zu einem gut beschäftigten Bühnendarsteller in Gießen gemacht hat. Am 1. April ist er wieder in »Mädchenschule« im Großen Haus zu sehen, zudem spielt er in der »Gefährlichen Operette« mit, ebenso im der Romanadaption »Hundepark«. Allein in diesen drei Produktionen war er mittlerweile mehr als 30 Mal zu sehen. »Für mich ist das eine sehr gute Mischung«, befindet er. Zumal er auf seinen bisherigen Stationen sogar eine noch höhere Schlagzahl an Auftritten hatte.
Janssen, 1987 in Eckernförde geboren, ist schon weit herumgekommen. Schon als er zwei Jahre alt war, zog die Familie nach Kuweit, weil der Vater als Lehrer eine Stelle an der dortigen Deutschen Schule annahm. Zurück in der Heimat, zog er häufig um, machte in Konstanz am Bodensee sein Abitur, bevor er - nach einigen Anläufen - an der staatlichen Schauspielschule in Stuttgart angenommen wurde.
Nach Abschluss der Ausbildung landete er zunächst am in Tübingen, wo er nicht nur seine heutige Ehefrau kennenlernte, sondern auch die dortige Landestheater-Intendantin Simone Sterr, zu der der Kontakt seitdem nicht mehr abgerissen ist. Auch wenn sie bereits nach seinem ersten Jahr dort weiterzog. Für ihn selbst ging es als Bühnenschauspieler weiter an die Württembergische Landesbühne Esslingen, wo er acht Jahre und damit ungewöhnlich lange blieb - und seitdem von dort aus »alle Bühnen des Bundeslands kennengelernt hat«, wie er lacht. Bis vor dieser Spielzeit der Anruf von Simone Sterr kam - verbunden mit dem Angebot, nach Gießen zu wechseln.
Mit dem Nomadenleben hat sich Ben Janssen längst arrangiert. »Ich habe gelernt, das Leben so zu nehmen, wie es kommt. Man kann sich verrückt machen lassen oder versuchen, es zu vermeiden. Das ich mit diesem Beruf eine Familie ernähren kann, ist schon mal ein Plus«, zeigt sich der 35-Jährige entspannt.
Zumal er sich in der Stadt und am Stadttheater gut aufgenommen fühlt. »Es ist ein hochprofessionelles Ensemble, dass eng zusammenhält. Das Publikum ist im guten Sinne anspruchsvoll und der Standort in der Innenstadt perfekt gelegen«, freut er sich. Dennoch hat er mit seiner Familie ein Domizil ein paar Kilometer weiter im dörflichen Wieseck bezogen, »wo die Kinder draußen spielen können und wir schnell im Wald sind«, wie er erzählt. Ist Janssen also eher ein Landtyp? »Mittlerweile wohl schon. Das Leben am Theater ist bunt, toll, wunderbar - aber auch stressig und schnell«, sagt er. Vielleicht macht er gerade deshalb mittlerweile am liebsten Urlaub auf dem Bauernhof, »wo wochenlang einfach gar nichts passiert«. Und vielleicht ist der Lieblingsheld des Comicfans vielleicht gerade deshalb der »Normalman«. Der »kann gar nichts und muss sich von seinen Freunden hin- und herfliegen lassen«, lacht der Schauspieler.
Dafür tut sich in seinem Schauspiellerleben schon genug. Zumal er auch immer wieder Filmrollen annimmt, solange es die Theaterspielpläne zulassen. Eine Actionrolle käme ihm da durchaus noch gelegen. Andererseits gehe es am Set häufig noch stressiger zu, als auf der Bühne: »Da musst du für eine Szene einmal richtig Gas geben.« Während die Bühnenstücke im Theater eher eine Art Prozess sind, an dem sich im Laufe der Zeit immer noch etwas verändern kann.
Deswegen würde sich Janssen auch gerne noch mehr mit dem Gießener Publikum austauschen. Die neue Reihe der »Absacker« sei da eine gute Gelegenheit. Aber er frage auch gerne die Techniker, die Bühnenmeister, die Feuerwehrmänner am Rande der Bühne, wie sie die Aufführungen wahrnehmen, »Die sehen manchmal etwas, was sonst niemand sieht. Ich auch nicht.«
»Mädchenschule« ist wieder am 1. April zu sehen. »Hundepark« läuft wieder am 28. April. Und »Gefährliche Operette« steht ab dem 16. Juli noch viermal auf dem Spielplan des Stadttheaters.