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Lob für »hohes Maß an Idealismus«

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Daumen hoch: Preisträger Kai Laumann freut sich mit Ministerin Angela Dorn und OB Frank-Tilo Becher, »dass Gießen nun wieder ein schönes Eingangstor hat«. Foto: Boje © Boje

Sanierung und Revitalisierung von Alter Post und Telegraphenamt in Gießen werden mit dem zweiten Platz im Wettbewerb des Hessischen Denkmalschutzpreises gewürdigt.

Gießen. Gerade mal 45 Minuten blieben Kai Laumann, um die Jury zu überzeugen. Eine Dreiviertelstunde, um mit einem mehrköpfigen Tross aus Experten durch die Alte Post und das ehemalige Telegraphenamt zu spurten und anhand ausgewählter Beispiele zu veranschaulichen, welche beachtliche Leistung innerhalb von zwei Jahren vollbracht worden ist. Das scheint dem heimischen Unternehmer gelungen zu sein. Denn der Einsatz von ihm und seinem Team um Architekt Dietmar Moos ist nun mit dem zweiten Platz des Hessischen Denkmalschutzpreises in der Kategorie »Transformatives Bauen« honoriert worden. »Ich bin total stolz, weil damit unsere Arbeit bestätigt wird, die vorhandene Bausubstanz eines so prestigeträchtigen Ensembles mit Engagement und Detailliebe in Szene gesetzt zu haben«, freut sich Laumann im Gespräch mit dem Anzeiger über die Auszeichnung.

Bei der Verleihung im Biebricher Schloss würdigte Hessens Kunst- und Wissenschaftsministerin Angela Dorn am Donnerstagnachmittag Verständnis, Ausdauer und Leidenschaft der Preisträgerinnen und Preisträger, mit handwerklich-technischem Geschick und hervorragendem Gespür für das historische Erscheinungsbild »unser kulturelles Erbe nutzbar und lebendig zu erhalten«. Ihr Ziel sei es gewesen, »der nächsten Generation die Errungenschaften der Vergangenheit mit all ihren Zeitschichten möglichst unbeschadet zu übergeben«. Diese in die Zukunft gerichtete Energie sei beeindruckend, vorbildlich und nachhaltig. Die weiteren Gewinner des Jahres 2022 kommen aus Wächtersbach, Marburg, Kassel, Darmstadt und Alsfeld.

Behutsam saniert

Laut Jury-Votum hat Kai Laumann ein »hohes Maß an Idealismus, Risikobereitschaft und denkmalpflegerischer Sensibilität« bewiesen. Neben der »beachtlichen Signalwirkung eines für Gießen und die Gießener Stadtentwicklung wichtigen Industriedenkmales« werden die handwerklich stimmige Umsetzung und vor allem die sorgfältige und behutsame Revitalisierung der - um passende Ersatzsteine aus einem lokalen Steinbruch ergänzten - Sandsteinfassade hervorgehoben.

Aufgrund der fehlenden Investitions- und Handlungsbereitschaft des vorherigen Eigentümers hatten die Spuren der Verwahrlosung und des Verfalls zusehends an der Alten Post genagt. Der lange Leerstand sorgte dafür, dass dieses an einem der repräsentativen Eingänge der Stadt gelegene Schmuckstück allmählich zu einem Schandfleck avancierte. Schließlich verhängte die Stadt sogar Zwangsmaßnahmen, auch um die Verkehrssicherheit zu gewährleisten.

Hoffnung keimte auf, als Kai Laumann das 1862/63 errichtete neugotische Gebäude erwarb und damit begann, es aufwändig und bestandsorientiert zu sanieren. Parallel dazu suchte er selbst nach geeigneten Mietern. Für ihn sei früh klar gewesen, sagt der Zimmerer und Dachdecker, dass die Nutzungsstruktur gewerblich geprägt sein sollte, so wie es über Jahrzehnte der Fall war und wie es baulich am besten passe. Das Ergebnis ist ein Mix aus Gastronomie, Wissenschaft, Gesundheit und Dienstleistungen für die Alte Post und das Telegraphenamt (erbaut 1927-1929).

»Das schöne Gebäude in prominenter Lage am Bahnhofsvorplatz zählt zum wertvollsten Denkmalbestand unserer Stadt. Wir sind glücklich, dass die Alte Post mit dem ehemaligen Telegraphenamt letztlich doch noch in gute Hände gekommen ist und in enger Abstimmung mit der Denkmalpflege so beeindruckend gestaltet wurde«, lobt Oberbürgermeister Frank-Tilo Becher, der bei der Feier in Wiesbaden ebenfalls mit dabei war. Anfang Juni hatte Laumann bereits den Denkmalpreis der Stadt Gießen in Empfang nehmen können.

In der Tat sei es eine überaus anspruchsvolle Aufgabe gewesen, die Anforderungen des Denkmalschutzes mit den Interessen und Bedürfnissen der Nutzer in Einklang zu bringen, erklärt der Investor. So galt es, gelegentlich Kompromisse zu finden, mit denen alle Seiten zufrieden sind, wie Laumann an einem Beispiel verdeutlicht: Die Bitburger Brauerei habe sich etwa für ihr »Weissbräuhaus« ein innenarchitektonisches Konzept überlegt, das Fliesen an den Sandsteinsäulen vorsieht. Das wiederum lehnte die Denkmalschutzbehörde ab. Gewählt worden sei dann eine Variante mit einer revisionierbaren Verkleidung - das heißt: Wenn der Vertrag irgendwann endet, können die verwendeten Fliesen wieder entfernt werden, ohne die Säulen zu beschädigen.

Überhaupt habe er gelernt, »wie wichtig es ist, Bauzeitliches nicht wegzuwerfen, sondern zu reparieren und zu erhalten«, räumt Laumann ein. Bewahrt werden konnten nahezu alle 100 historischen Fenster der Alten Post, ebenso Deckenkonstruktionen, Klappläden, gusseiserne Stützen und die aus dem 19. Jahrhundert stammenden Treppenhäuser. Besonders froh sei er im Nachhinein, dass die Denkmalschutzbehörde insistiert habe, als er sich zunächst für weiße Fenster aussprach. Denn die Originalfarbe war braun.

Bei der einstigen Fernmeldezentrale seien weitere 100 bauzeitliche Kastenfenster instandgesetzt worden. Auch der ursprüngliche Raumcharakter des imposanten, zwei Stockwerke hohen Gebäudes habe erhalten werden können, während es gleichzeitig zu einem modernen Veranstaltungs- und Medienzentrum umfunktioniert worden sei. Um die Aufgabenstellungen ordentlich zu erfüllen, betont Laumann, habe er »weder Kosten noch Mühen gescheut«.

Apropos: Mit dem Preisgeld von 5000 Euro - zusätzlich gibt es eine Bronzeplakette plus Urkunde - möchte er nun alle Projektbeteiligten mit Partnerinnen und Partnern zu einer großen Sause einladen - natürlich im »Weissbräuhaus« in der Alten Post. »Denn das ist ja nicht nur mein Preis. Außerdem habe ich jetzt richtig Bock zu feiern.«

Kategorie »Transformatives Bauen« : Hallenbad Ost in Kassel (1. Platz), Alte Post und ehemaliges Telegraphenamt in Gießen (2. Platz);

Kategorie »Öffentliches Bauen« : Schloss Wächtersbach (1.), Vorstadtmauer Darmstadt (2.);

Kategorie »Privates Bauen« : Tagelöhnerhaus in Marburg-Dilschhausen (1.), Fachwerkhaus Helbig in Alsfeld (2.);

Ehrenamtspreis : Historische Brücke in Grebenhain-Hartmannshain.

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Prestigeträchtig: Die Alte Post mit ihrer imposanten Fassade und das dahinter liegende Telegraphenamt sind wieder echte Schmuckstücke. Foto: Laumann © Laumann

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