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Männer, die auf Frauen starren

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Von: Björn Gauges

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Männer, Blicke und ein Hut: Paris, 1959. Fotos: Frank Horvat, Leica Galerie © Frank Horvat, Leica Galerie

Bitte nicht lächeln: Arbeiten des berühmten Modefotografen Frank Horvat sind in der Wetzlarer Leica Galerie zu entdecken.

Wetzlar. Modefotografie: Dabei handelt es sich häufig um Motive schöner junger Frauen, die zumeist schöne oder zumindest extravagante Kleidung ins rechte Licht rücken. Was die Sache dann häufig doch etwas fad und langweilig macht. Nicht so bei Frank Horvat (1928-2020). »Ohne die Geschichten, die man erzählen kann, hätte mich die Mode nicht wirklich interessiert«, bekannte der Fotograf in der Rückschau auf sein Werk. Nun ist die Arbeit des Franzosen in einer schönen neuen Ausstellung in der Leica Galerie in Wetzlar zu entdecken - und mit ihr auch eine Menge spannender Geschichten.

Nehmen wir etwa die schwarz-weiße Aufnahme von dem Model Monique Dutto, die der Fotograf im Jahr 1959 in einem Pariser U-Bahn-Schacht platziert hat. Sie trägt ein extravagantes, wie eine Art Blumenkelch geformtes Kleid, dazu weiße lange Handschuhe und einen Hut, der ebenfalls eine Art florales Dekor abgibt. Das Wort »auffällig« wäre hier untertrieben. Herausfordernd-belustigt schaut die Dame in die Kamera, während sie von zumeist männlichen Passanten umgeben ist, die aus dem Schacht hinausströmen und vermutlich auf dem Weg zur Arbeit sind. Einer blickt irritiert ins Objektiv, ein anderer starrt auf diese Erscheinung aus einer anderen Welt, einige haben die Situation noch gar nicht erfasst. Der extreme Kontrast aus Extravaganz und Alltag in dieser Aufnahme sorgt für eine grandiose inszenatorische Spannung.

»Die ›Mode auf der Straße‹ wurde zu meiner Spezialität - was nicht automatisch bedeutete, dass ich immer auf der Straße fotografierte. Doch bemühte ich mich, Frauen zu zeigen, wie man sie sich in einem alltäglichen Umfeld vorstellen konnte.« So wird Horvat in der Ausstellung zitiert. Das trifft zwar weniger auf die Szene im U-Bahn-Aufgang zu, dafür aber umso mehr auf das Bild mit dem Model Deborah Dixon, aufgenommen 1962 in Rom. Sie wurde von Horvat an einem Tisch in einer kleinen Trattoria platziert, neben ihr ein nur zur Hälfte von der Kamera erfasster Mann, der eine Gabel Spaghetti aufspießt und irritiert in die Kamera schaut. Das Model, ausstaffiert mit einem obskuren Hut, Halskrause und Netzschleier vor dem Gesicht, betrachtet den Herrn so distanziert wie spöttisch. Wie der Fotograf auch hier die Blicke des Betrachters lenkt und damit eine ganze Dramaturgie entwickelt, ist ebenfalls meisterlich gelungen.

In Szenen wie diesen zeigt sich das Faible des Fotografen für den Film, den er auf die ein oder andere Weise zitiert. In einer Aufnahme ist der italienische Meisterregisseur Federico Fellini zu entdecken, in einem anderen richtet eine Frau über den Dächern von Paris eine Pistole auf einen Mann. Frank Horvat hat zudem eine ganze Serie von Bildern entwickelt, die den Namen Alfred Hitchcocks im Titel tragen - und auf ganz eigene Weise Spannung und Suspense vermitteln.

Aber auch eine Menge Humor scheint der im damals italienischen, heute kroatischen Küstenort Opatija geborene und 1939 wegen rassistischer Verfolgung in die Schweiz geflohene Künstler gehabt zu haben. Das vielleicht schönste Foto der rund 30 Werke zählenden Wetzlarer Schau stammt aus dem Jahr 1958 und wurde für die Modemarke Givenchy aufgenommen: Von dem Model in der Bildmitte sind nur die Augen und vor allem der extravagante weiße Hut zu sehen, während um sie herum ein halbes Dutzend Herren mit Ferngläsern den Betrachter des Bildes in den Blick nehmen.

Sonst hingegen sind es immer wieder die als Rahmung dienenden Männer, die auf die mondän und überaus selbstbewusst wirkenden Frauen starren. Manch einem steht beim Gaffen gar der Mund offen. Angesichts solcher Details mag es überraschen, dass der Fotograf für seine Anweisung »Please don’t smile« bei seinen Shootings bekannt war. Ihm ging es allerdings darum, das künstliche, aufgesetzte Lächeln aus seinen Aufnahmen zu verbannen. Viele seiner Bildinszenierungen laden die Betrachter dagegen fast schon zum Lachen ein, etwa wenn er mit Perspektiven spielt oder die Rollenverhältnisse von Frau und Mann hinterfragt. Das wirkt ästhetisch überwältigend und ungemein zeitgemäß gleichermaßen.

Die Ausstellung »Frank Horvat: Please Don’t Smile« ist bis Ende April in der Leica Galerie in Wetzlar zu sehen. Der Eintritt ist frei.

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Ein Spiel mit den Proportionen: Paris, 1974. © Red

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