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Mal sanft, mal giftig

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Von: Ursula Hahn-Grimm

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Schauspielerin Germaine Sollberger (vorn links) las aus den Tagebüchern von Manfred Krug vor, für die Musik sorgt die Hamburger Band Büro d’Amour mit Sängerin Wiebke Kruse und sechs exquisiten Jazzmusikern. Foto: Hahn-Grimm © Hahn-Grimm

Eine jazzige Hommage an den Musiker und Tagebuchschreiber Manfred Krug bot jetzt eine Hamburger Band zusammen mit Stadttheater-Schauspielerin Germaine Sollberger.

Gießen . »Wenn’s draußen grün wird, fällt mir nur noch Liebe ein« sang einst Manfred Krug und so hatte die siebenköpfige Gastband »We don’t suck, we blow« aus Hamburg, ergänzt durch Sängerin Wiebke Kruse, auch diesen Evergreen bei ihrem »Afterwork-Ausflugs« ins Kleine Haus des Stadttheaters Gießen im Gepäck. Auszüge aus seinen Tagebüchern las Schauspielerin Germaine Sollberger in Vertretung des erkrankten Roman Kurz vor, die weibliche Besetzung erwies sich als durchaus gelungen.

Doch wer ist Manfred Krug? Manche der jüngeren Besucher an der Theaterkasse schauten ratlos, viele ältere gerieten ins Schwärmen: Die alten Hamburger Tatort-Krimis mit ihm und seinem Ermittler-Partner Charlie Brauer waren doch die besten. Unvergessen auch die Rechtsanwalts-Serie »Liebling Kreuzberg«. Mit diesen beiden Formaten hatte sich der charmante Querkopf, der als einer der größten Künstler der DDR galt, nach seiner erzwungenen Übersiedlung 1977 in den Westen in den folgenden Jahrzehnten die Herzen des gesamtdeutschen Publikums gespielt.

Inhalt der Hommage waren also alte Jazzsongs und die zum Teil erst im Januar veröffentlichte Tagebücher Krugs. »Du bist heute wie neu« sang Wiebke Kruse mit lässig-cooler Stimme, ergänzt durch den satten Sound der Band an ihrer Seite: Jede(r) einzelne der Akteure glänzte auch mit kleinen Soli. Mit dabei: Natascha Protze (Saxophon), Chris Lüers (Posaune), Johannes Metzger (Drums), Falko Harriehausen (Bass), Florian Kiehn (Gitarre) und Umut Abaci am Synthesizer.

Wiebke Kruse übernahm nicht nur den Gesangspart, sie führte auch auf unterhaltsame und informative Weise durchs Programm. »Wir wollen Liebe verbreiten«, sagte sie über sich und die Band, die in Gießen erstmals gemeinsam auftrat. Und wie lasse sich in Deutschland am besten etwas verbreiten? Mit Aktenordnern, Verwaltung und einem Büro, so ihre etwas provokante These. Deshalb auch der Name »Büro d’Amour«, zu dem die Schlager und Lieder aus den 60er und 70er Jahren atmosphärisch exakt passten.

Mit virtuoser Fingerfertigkeit

Mit Neuinterpretationen will die Formation das Werk des Künstlers feiern, gleichzeitig suchen die Musiker in ihrem urbanen Stil einen neuen Zugang zu den Liedern. Zum Programm gehörte auch ein Lied von Marianne Wendt, die einst die Wiener Mundart in der deutschsprachigen Popmusik salonfähig machte, ebenso stellten die Hamburger ihr selbstkomponiertes Instrumentalstück »Mirrors« vor.

Ein Gitarren-Solo mit virtuoser Fingerfertigkeit und Feingefühl ließ Florian Kiehn hören: »Gestern war der Ball« ist der Titel des schnellen Stückes im 7/8-Takt, bei dem die Besucher kaum die Füße still halten konnten. Melodiös und ansteckend, das war der Sound des Abends, der definitiv für gute Laune sorgte.

Nach der Musik kam der Text: Der erste vorgestellte Tagebucheintrag stammt vom 13. Januar 1996. Manfred Krug beschreibt darin, wie seine langjährige Ehefrau Otti das erste Mal auf seine Geliebte Petra und die uneheliche Tochter stößt. Kaum Emotionen sind dem Textauszug zu entnehmen, das Publikum nimmt das Doppelleben des Schauspielers fast Achsel zuckend zur Kenntnis. Gut, dass mit Germaine Sollberger eine Frau liest, so stellte sich von vorneherein eine ironische Distanz zum Tagebuchschreiber ein.

Eindrücke von männlicher Eitelkeit verfestigen sich beim Zuhören der folgenden Einträge über Verlagswesen und Ost-Schriftsteller wie Stefan Heym und Christa Wolf. Nein, Manfred Krug war nicht zimperlich beim Austeilen gegen seine Zeitgenossen, vor allem gegen Kollegen. Uns so gesteht Wiebke Kruse ihre Unsicherheit, ob sie das Tagebuch zum Kauf empfehlen soll. »Das sind definitiv die Texte eines alten weißen Mannes - aber manchmal auch genial«.

Folgen eines Schlaganfalls

Genial einfach, beispielsweise im nächsten Song »Baden gehen, wie schön, du kannst Waden sehn«. Ein Schlager, schon bei Manfred Krug hörenswert, durch die moderne Jazzformation auf den neuesten Stand gebracht. »Hör auf, hör auf, genug davon, das geht mir auf die Nerven«, bietet ebenfalls einen mitreißenden Rhythmus, vor allem das hochvirtuose Saxophon-Solo von Natascha Protze bleibt in Erinnerung.

Dann doch noch ein zutiefst beeindruckender Tagebucheintrag. Am 30. Juni 1997 beschreibt Manfred Krug seinen Schlaganfall: Sehstörungen, die rechte Körperseite funktioniert nicht mehr, auch seine Stimme versagt. Ein Schlaganfall, von dem er sich nie mehr ganz erholen wird, und in dessen Folge er schließlich auch mit den Dreharbeiten zum »Tatort« aufhört. Manfred Krug starb im Oktober 2016.

Es bleiben seine hörenswerten Lieder, etwa »Danke für den Abend«, den Sängerin Kruse und Schauspielerin Sollberger gemeinsam vortrugen. Eine schöne Idee, und dass Germaine Sollberger singen kann, hat sie schon längst auf der Theaterbühne bewiesen. Viel Applaus, ein lohnenswerter Abend.

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