Mechanismen der Zelltypentwicklung

Wie aus Stammzellen Herz- und Nervenzellen werden: Ein Team der JLU Gießen ist an einer Studie zur Rolle des Proteins HMG20A in der Regulation der Erbinformation beteiligt.
Gießen (red). Um besser zu verstehen, wie sich Zellen und Organe entwickeln und differenzieren, hat ein internationales Forschungsteam um Prof. Sandra B. Hake vom Institut für Genetik der Justus-Liebig-Universität (JLU) den Prozess der Verpackung und Regulation der DNA untersucht.
Dabei stellten die Forscherinnen und Forscher fest, dass das Protein HMG20A eine große Bedeutung für die frühe Embryonalentwicklung und insbesondere für die Differenzierung von embryonalen Stammzellen hat. Die Ergebnisse wurden im renommierten Fachjournal »Nature Communications« veröffentlicht.
In allen Organismen, die einen Zellkern enthalten, wird die genetische Information (DNA) mit Hilfe verschiedener Proteine (Histone) »verpackt«. Dieses genetische Verpackungsmaterial, das so genannte Chromatin, reguliert unter anderem die Bildung von Kopien bestimmter DNA-Bereiche (Gene) in Form von RNA und bestimmt, welche Erbinformationen zu welchem Zeitpunkt kopiert (transkribiert) werden, erläutert die JLU in einem Presseschreiben. Um diese Regulation präzise zu ermöglichen, arbeiten viele verschiedene, zum Teil zelltypspezifische, Proteinkomplexe zusammen, die die Chromatinstruktur gezielt verändern können.
Angeführt von dem Doktoranden Andreas Herchenröther konnte das Team HMG20A als assoziiert mit der Histonvariante H2A.Z, die Gegenstand vieler weiterer Forschungsprojekte in der Arbeitsgruppe von Prof. Hake ist, sowie mit weiteren Chromatin-modifizierenden Komplexen identifizieren. Interessanterweise bindet HMG20A an bestimmte regulatorische DNA-Regionen, sogenannte Promotoren und Enhancer - ein erster Hinweis auf eine Funktion des Proteins bei der Genregulation. Tatsächlich zeigten Kaulquappen, denen das HMG20A-Protein halbseitig fehlte, große Probleme bei der Kopf- und Herzentwicklung. Diese Defekte konnte das Team auf Schwierigkeiten während der sehr frühen Neuralleistenentwicklung zurückführen.
Das Team entfernte HMG20A auch in embryonalen Stammzellen der Maus und stellte ähnliche Differenzierungsdefekte fest. Es zeigte sich, dass schon in sehr frühen Stadien spezielle und wichtige Transkriptionsprogramme dereguliert waren und die Chromatinstruktur in vielen Genombereichen verändert war. Das Protein ist demnach ein Schlüsselmodulator komplizierter Transkriptionsprogramme während der Embryonalentwicklung, die unter anderem die Differenzierung von Neuralleisten- und Herzzellen steuern.
Wie das Protein HMG20A diese Transkriptionsprogramme genau reguliert, welche Funktionen seine verschiedenen Bindungsproteine dabei übernehmen und ob eine Deregulierung von HMG20A in menschlichen Erkrankungen eine Rolle spielt, soll in den nächsten Jahren durch das Forscherteam geklärt werden.
Neben der JLU waren die Philipps-Universität Marburg, das Max-Planck-Institut für Biochemie in München und die Universität Sydney in Australien an der Publikation beteiligt.
Weitere Informationen im Internet unter:
https://www.uni-giessen.de/de/fbz/fb08/Inst/gen/AGHake
Weitere Informationen
https://www.uni-giessen.de/de/fbz/fb08/Inst/gen/AGHake .