»Medi-Do« im Nordstadtzentrum

Kompass im Gesundheitssystem: Eine medizinische Sprechstunde mit dem Arzt Werner Fleck können Bewohner der Nordstadt jeden zweiten Donnerstag nutzen.
Gießen. »Medi-Do« - das ist die medizinische Sprechstunde im Nordstadtzentrum mit dem Arzt Werner Fleck - alle zwei Wochen donnerstags. Dahinter steckt das Ziel, den individuellen Kenntnisstand der Ratsuchenden zu verbessern sowie den Einstieg ins medizinische Versorgungssystem durch dieses niedrigschwellige Angebot zu erleichtern. Es beinhalte eine Lotsenfunktion mit beispielsweise der Übersetzung von Medizindeutsch in die Alltagssprache, sei eine Verweis- und Vermittlungsberatung sowie gesundheitliche Aufklärung. Ergänzend, jedoch nicht konkurrierend zu Praxen und weiteren Einrichtungen, soll nach einem Besuch des »Medi-Do«-Angebotes die eigene gesundheitliche Situation besser eingeschätzt und Handlungsoptionen überblickt werden.
Aufklärung
Ist es ärztliches Berufsethos über das Ende des Berufslebens hinaus? Angetrieben davon, als Mediziner mit 71 Jahren seine erworbenen Kenntnisse den Mitmenschen noch immer zu vermitteln? Werner Fleck hat 30 lange Jahre - von 1990 bis 2020 - als Hausarzt in dem Apothekengebäude am Oswaldsgarten seinen Patienten bei ihren zahlreichen Wehwehchen mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Aus der Praxis hat er sich Anfang 2020 mit 69 Jahren zurückgezogen
Was nun? Daheim untätig herumsitzen war nicht sein Ding. Zu dieser Zeit fasste Corona auch in Deutschland richtig Fuß, das Gesundheitsamt brauchte kurzfristig fundierte Hilfe - und Fleck sah eine neue Aufgabe. Angestellt mit einer halben Stelle sollte er ab Mai 2020 vulnerable Gruppen unter dem Aspekt der Corona-Pandemie identifizieren. Fleck kümmerte sich fortan um bildungsferne und kommunikationsschwache Menschen, um ihnen Informationen zu Corona näherzubringen. Für ihn eine interessante Aufgabe, so erzählt er im Nordstadtzentrum. Hier hält er alle zwei Wochen donnerstags von 16 bis 17.30 Uhr eine medizinische Sprechstunde ab.
Krankheiten behandelt der Mediziner nicht, verordnet keine Therapie, stellt auch keine Rezepte aus und verabreicht keine Medikamente. Es ist ein reines Beratungsangebot in medizinischen Fragen auf niederschwelliger Ebene.
Ergeben hatte sich dies, nachdem Fleck seit zwei Jahren Informationsveranstaltungen im Nordstadtzentrum durchgeführt hatte. »Dabei haben sich die Fragen der Teilnehmenden nicht immer nur um Corona gedreht, sondern es wurden auch andere Themen nachgefragt.«
Deswegen wuchs bei Frauke Kühn vom Quartiersmanagement Flussstraßenviertel und Stadtteilmanager Lutz Perkitny die Idee, mit einer regelmäßigen medizinischen Sprechstunde das Beratungsangebot im Nordstadtzentrum zu erweitern. »So kam das ins Rollen«, freut sich Perkitny über das zusätzliche Angebot. Dazu beigetragen hat auch, so Kühn, dass Werner Fleck »beim Kiosk-Treff im Flussstraßenviertel mehrmals gewesen ist und drängende Fragen beantwortet hat.«
Für die Aktion »Impfungen im Quartier« hatte es am 1. Juli letzten Jahres eine Informationsveranstaltung für die Nordstadt gegeben. Drei Tage später ließen sich fast 40 Bewohner impfen. Fleck dazu: »Wir brauchen einer Impfaktion vorausgehend eine Atmosphäre, wo die Leute Fragen stellen können. Dann sollte das bei ihnen zwei, drei Tage sacken können.«
Hilfestellung
Wichtig ist für den 71-Jährigen, die Menschen dahingehend zu begleiten, dass sie bei der nächsten Institution wie Arzt oder Behörde die richtigen Fragen stellen könnten. »Unser Gesundheitssystem ist gelegentlich verwirrend und so möchte ich Hilfestellung geben, medizinische Inhalte zu verstehen,« erklärt Fleck seine Motivation. Für Perkitny ist es wichtig, dass mit den Quartiersbewohnern nicht von oben herab, sondern auf Augenhöhe geredet wird. »Mit aller Ruhe«, so Fleck, tue er dies »anders als in der Praxis, wo alles zeitlich getaktet ist.«
Die Gespräche nehmen den Menschen ihre Ängste und mache ihnen Mut, »in das System Gesundheit hineinzugehen.« Als Beispiele nennt er einen Pflegeantrag für Angehörige sowie »Reha-Geschichten« oder Widersprüche gegen Bescheide.
Für Fleck ist sein Engagement auch Herzensangelegenheit, »zumal das Gesundheitsniveau in solchen Quartieren wie hier in der Nordstadt niedriger als im Durchschnitt der Gesamtbevölkerung ist.« Hier will er helfen. Und tut das gerne.