Mehr Kampfschrift als Science Fiction

Der »Goethe-Nachfolger« Steffen Mensching stellt im KiZ in Gießen seinen fünften Roman »Hausers Ausflug« vor, in dem er sich satirisch-kritisch an der europäischen Flüchtlingspolitik reibt.
Gießen. In seinem jüngsten Roman »Hausers Ausflug« arbeitet der Autor Steffen Mensching mit einer kühnen Idee: Im Jahr 2029 werden abgelehnte Asylbewerber in Rückführungsboxen gepackt und mit dem Flugzeug über ihrem Herkunftsland einfach abgeworfen. Organisiert und durchgeführt wird das von der privaten Firma »Airdrop«, unter der Leitung von David Hauser. Dieser wacht auf einmal in einer solchen Box auf und wird über einem unbekannten, wüstenähnlichen Gebiet abgeworfen. Er hat weder seine eigenen Sachen an, noch findet er seinen Pass in der Jackentasche.
Seiner Statussymbole beraubt und ohne hinreichende Erklärung, wie das passieren konnte, muss er sich diesem Umstand stellen. Über diese Grundkonstellation, aber auch über seine Herangehensweise, unterhielt sich Sabine Heymann mit dem Autor am Mittwochabend während einer Lesung des Literarischen Zentrums Gießen im KiZ.
Es ist der fünfte Roman des 1958 in Berlin geborenen Autors, der seit 2008 Intendant am Theater Rudolstadt ist. Da dort auch schon Goethe mit seiner Theatergruppe spielte, sei er folglich ein direkter Nachfolger von Goethe, führte er mit einem schelmischen Lächeln aus. Die Idee zu dem Buch bekam er, als er in einem Flugzeug nach Tirana neben einem »höchst ungesprächigen und merkwürdigen Zeitgenossen« saß. Nach der Landung kam die Polizei an Bord und führte den Sitznachbarn ab. »Ich fuhr in den Urlaub und er ging ins Gefängnis«. Auch wollte Mensching ursprünglich einmal Pilot werden, sodass er sich grundlegend für alles, was mit dem Fliegen zusammenhängt, interessiert. »Zudem ist in den vergangenen Jahren auffällig geworden, dass sich unsere soziale Organisation auf sehr dünnem Eis bewegt.« Nicht zuletzt habe ihn die Situation gereizt, von einer Person zu schreiben, die sich von einer zur anderen Minute in einer Situation wiederfindet, die sie nicht begreift.
»Ich muss mir das sehr genau vorstellen, erst dann kann ich darüber schreiben«, erläuterte er. Entsprechend präzise habe er den sozialen Kontext für sich herausgearbeitet. »Die Logik der sozialen Mechanismen müssen stimmig sein«. Für ihn gehört sein Roman nicht in die Kategorie »Science Fiction«, in die er von manchen Kritikern eingeordnet wurde. Dafür sei sein Werk zu nah an der aktuellen Realität dran. Auch sieht er ihn nicht als eine Satire, auch wenn er teilweise bewusst mit Überzeichnungen gearbeitet hätte. So sei die Hauptfigur kein Sympathieträger.
Mensch als Ware
Hauser hat einen marktwirtschaftlichen Lieferdienst organisiert, der eine soziale Leistung vollbringe. Der Mensch ist zur Ware geworden. »Es ist eine Entwicklung, die denkbar geworden ist«, sagte er und verwies darauf, wie aktuell die Seenotrettung im Mittelmeer kriminalisiert werde. »Dort lässt man die Menschen einfach verrecken.« Daher habe er gern und bewusst den Finger in die Wunde gelegt.
Wenn man den Roman irgendwo einordnen wolle, dann eher als politische Kampfschrift, schlug er vor. Doch wie der Roman letztlich endet, ob Hauser diese Irrfahrt überlebt und ob er wieder nach Hause findet, verriet der Autor seinem Publikum nicht.