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Mehr Last auf breitere Schultern

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Im Bällebad sind alle Kinder gleich. Doch Eltern müssen unterschiedlich viel für die Kita zahlen. Symbolfoto: Friso Gentsch/dpa © Red

Gießens Sozialausschuss stimmt für eine Anpassung der Kita-Gebühren, die viele belastet aber auch Ärmere entlastet.

Gießen. Gerhard Merz (SPD) war sichtlich mit der grün-rot-roten Koalition zufrieden. Normalerweise sei das Wort Anpassung ja ein Euphemismus für Preiserhöhung, meinte der auch als Sprachkritiker versierte Stadtverordnete. Bei der ersten Änderung der Gießener Kindertagesstätten-Satzung würden aber defacto viele Familien entlastet und zwar die, die finanziell am Schwächsten seien. Nach einer Abschaffung aller Kita-Gebühren sei diese Reform auf jeden Fall die zweitbeste Lösung, lobte der Sozialdemokrat.

Wo Licht ist, da ist auch Schatten, und wo die einen entlastet werden, müssen die anderen mehr zahlen, was denn auch Dr. Klaus Dieter Greilich von den Liberalen monierte. Die FDP stimmte als einzige gegen das neue Zahlenwerk, während alle anderen Fraktionen bei Enthaltung der CDU dafür stimmten. Sollte auch die Stadtverordnetenversammlung zustimmen, kann die neue Gebührensatzung bereits zum 1. September in Kraft treten.

Bis 1500 Euro frei

Geändert wurde vor allem die einkommensabhängige Gebührenstaffelung für die verschiedenen Betreuungsplätze in unterschiedlichen Stundenmodulen und Betreuungsarten sowie die einkommensabhängige Gebührenstaffelung des Mittagessens. Künftig soll die Betreuung von Kindern aus Familien mit einem bereinigten Nettoeinkommen von bis zu 1500 Euro kostenfrei sein. Dementsprechend verschiebt sich die Gebührenstaffelung. Die bisherige Systematik der 50-Euro-Schritte wird bis zu einem bereinigten Nettoeinkommen von bis zu 2000 Euro beibehalten und dann um 250- Euro-Schritte erhöht.

Insgesamt erfolgt eine Erhöhung der Gebührenklassen um zehn Prozent. Der Höchstsatz muss bei einem Monatseinkommen von mindestens 4500 Euro gezahlt werden. Für ein zweites Kind sinken die Gebühren um 50 Prozent. Jedes weitere Kind wird kostenlos betreut. Auch die Gebühren für Zukaufstunden steigen entsprechend um zehn Prozent.

Diese Erhöhungen betreffen allerdings aufgrund der Verschiebung der Gebührenklassen Familien mit einem besonders hohen bereinigten Nettoeinkommen. Die Familien mit niedrigem und mittlerem bereinigten Nettoeinkommen werden durch die Änderungen finanziell entlastet.

Allen Familien zu Gute kommt dagegen, dass zukünftig die Kosten für Heizung und Warmwasser bei der Berechnung des bereinigten Nettoeinkommens mitberücksichtigt werden. Angesichts des befürchteten starken Anstiegs der Energiepreise in den nächsten Monaten und Jahren sei dies ein Beitrag zur Bekämpfung der Preissteigerungen, betonte Merz. Er erinnerte auch daran dass 50 Prozent aller Kita-Nutzer in Gießen den Höchstbeitrag zahlen würden, »Es sind vor allem die Wohlhabenderen, die dieses Angebot in Anspruch nehmen.«

Für Greilich war diese Form der Umverteilung angesichts der Lohnentwicklung nicht angemessen und ein falsches Signal. Der Liberale plädierte für eine Verschiebung der Reform um ein Jahr. Dafür fand sich im Ausschuss aber keine Zustimmung. Auch nicht bei der CDU. Dort war man durchaus der Ansicht, dass breitere Schultern mehr stemmen müssten.

»Marburg kann es sich leisten«

Gerda Weigel-Greilich vom Magistrat erklärte, dass man natürlich nicht alle Auswirkungen von Wirtschaftskrise und Inflation auffangen könne, aber wenigstens könne man hier bei einer wichtigen Sozialleistung für Familien mit Kindern für Entlastung sorgen: »Es wäre schön, wenn wir alle Kindertagesstätten kostenfrei stellen könnten, wie in Marburg, aber die können es sich jetzt ja auch leisten«, sagte die Grünen-Politikerin in Anspielung auf die dem Stadtsäckel zuträgliche Biontech-Impfstof-Produktion in der Nachbarstadt,

Neben den Kitagebühren, werden auch die Gebühren für das Mittagessen anfgepasst. Gestiegene Energie- und Lebensmittelpreise sowie die notwendige Aufrechterhaltung der Personalstruktur zur Vermeidung von Qualitätsverlust, hätten dazu geführt, dass die Mittagsverpflegung nicht mehr zum ursprünglichen Preis bereitgestellt werden könne. Daher sei eine Erhöhung von 15 Prozent zur Deckung dieser Mehrkosten notwendig. Durch die analoge Verschiebung der Gebührenklassen erfolgt aber auch im Rahmen der Finanzierung des Mittagessens eine Entlastung der Familien mit niedrigen und mittleren Einkommen.

Mehr Frauenschutz

Einstimmig angenommen wurde ein Antrag der Koalition zur Umsetzung der Istanbul-Konvention gegen häusliche und geschlechterbezogene Gewalt. Aufbauend auf den bisherigen Bemühungen auch zur Gleichstellung von Frauen will man Schutzlücken schließen, Bedarfe ermitteln und passgenaue Hilfsangebote ausweiten. Dafür benötige man bereits jetzt eine weitere Stelle, die Teil des kommenden Haushalts werden soll.

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