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Mehr Sicherheit bei Geldanlagen

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Mit der neuen Richtlinie zieht die Stadt Konsequenzen aus den drohenden Greensill-Verlusten. Symbolfoto: dpa © Red

Der Gießener Magistrat legt eine Richtlinie für Geldanlagen vor. Sie ist eine Konsequenz aus den drohenden Greensill-Verlusten.

Gießen. (olz)Vorerst keine weiteren Anlagen mehr, bis eine neue Geldanlagenrichtlinie vorliegt. Das ist eine der ersten Konsequenzen, die die Stadtverordneten im Frühjahr 2021 aus den drohenden Greensill-Verlusten ziehen. Diese Richtlinie legt Kämmerer Alexander Wright jetzt vor. »Das Papier hat die Kämmerei nicht allein verfasst. Es ist in Rücksprache mit einer interfraktionellen Arbeitsgruppe entstanden«, sagt der Bürgermeister von den Grünen. Nichts Neues gibt es dagegen bei der Frage, ob die Stadt Chancen auf Erstattung der bei Greensill angelegten zehn Millionen Euro hat. »Das Insolvenzverfahren läuft noch«, erklärt Magistratssprecherin Claudia Boje auf Nachfrage des Anzeigers.

Details per Dienstanweisung

Es ist ein Schock, als Oberbürgermeisterin Dietlind Grabe-Bolz im März des vergangenen Jahres verkünden muss: Auch Gießen hat zwei Tranchen in Höhe von jeweils fünf Millionen Euro bei der insolventen Greensill-Bank angelegt. Es folgt eine intensive politische Debatte. Sie dreht sich auch um die Frage, ob das städtische Geld überhaupt bei der Bank hätte angelegt werden dürfen. Koalition und Opposition deuten die seit 2018 gültige Richtlinie für Geldanlagen unterschiedlich. Eine Neufassung des Regelwerks wird beschlossen - schon im August hat der Magistrat dem Papier zugestimmt. Details für den Arbeitsalltag will man durch eine Dienstanweisung regeln.

Geändert hat sich unter anderem der Punkt Beratung und Dokumentation. »Es ist künftig erforderlich, dass vor der Anlage eine Beratung durch ein Kreditinstitut oder einen Berater erfolgt. Sämtliche Handlungen im Zusammenhang mit der Anlage müssen dokumentiert werden - es ist genau festgelegt, was die Dokumentation im Einzelnen umfassen muss«, erläutert Wright. Am 15. Februar und am 15. Oktober würden die städtischen Anlagen künftig einem sogenannten Monitoring unterzogen. Um das Ausfallrisiko zu begrenzen, sei der Höchstbetrag pro Emittent künftig auf zehn Millionen Euro begrenzt. Und auch der geforderte Investmentgrade bei Ratings sei um eine Stufe verschärft. In der Neufassung heißt es: »Bei Geldanlagen ist ein Rating einer durch die Europäischen Union anerkannten Ratingagentur zu berücksichtigen. Das Rating darf zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht älter als drei Monate sein. Bei Vertragsabschluss muss die Geldanlage ein Bonitätsrating von mindestens A- (Skala nach Standard & Poor’s) oder ein mit diesem Investmentgrade vergleichbares Bonitätsrating aufweisen. Geldanlagen mit niedrigeren Ratings sind nicht zulässig.« In der alten Richtlinie waren Ratings BBB+ nach Skala von Standard & Poor’s oder Baa1 nach Moody’s zugelassen. »Bei Instituten, die nach den Sicherheitskriterien von Volksbanken und Sparkassen arbeiten, ist kein Rating nötig«, führt der Kämmerer aus. Er berichtet zudem, dass nur in der Europäischen Union und in Euro angelegt werden solle. Grundsätzlich werde nur noch in nachhaltige Fonds investiert.

Nachhaltigkeit als Ziel der Anlage

Das Thema »Nachhaltigkeit« nimmt das neue Papier als weitere Dimension im Bereich Ziele der Anlage auf. Dazu heißt es in der Richtlinie: »Nachhaltige Investments fördern eine zukunftsfähige Entwicklung. Sie berücksichtigen bei der Anlageentscheidung neben ›harten‹ finanziellen Kriterien auch ökologische und soziale Aspekte sowie Aspekte der Generationengerechtigkeit. Deshalb sollen bei Kapitalanlagen auch soziale, ökologische und ethische Nachhaltigkeitskriterien in die Entscheidung einfließen.« Die Anlagepolitik der Stadt Gießen orientiere sich dabei an der Einhaltung ethischer, ökologischer, menschenrechtlicher und demokratischer Standards. »In Anlehnung an die DIN ISO 26000 sind dies die Grundsätze Rechenschaftspflicht, Transparenz, ethisches Verhalten sowie der Achtung der Interessen von Anspruchsgruppen, insbesondere der Rechtsstaatlichkeit, von internationalen Verhaltensstandards und der Menschenrechte. Darüber hinaus ist auch im Rahmen der ESG-Kriterien (›Environment, Social, Governance‹) der Aspekt ›Umwelt‹ besonders zu berücksichtigen, hierbei kann auch auf einschlägige Gütesiegel zurückgegriffen werden«, ist in dem neuen Regelwerk nachzulesen. Bei Produkten mit Investitionen in die Energieerzeugung würden ausschließlich jene neu abgeschlossen, die erneuerbaren Charakter besäßen.

Auch die jetzt erhöhten Sicherheitsvorkehrungen könnten keine vollständige Ausfallsicherheit gewährleisten, heißt es in der Magistratsvorlage zur neuen Richtlinie. Und weiter: »Das bedeutet, dass auch bei konsequenter Anwendung der Anlagenrichtline 2022 ein Totalverlust von ›Geldanlagen bei Kreditinstituten, wie etwa durch eine Bankeninsolvenz, nicht ausgeschlossen werden kann.« Das abschließende Votum des Stadtparlamentes zum Regelwerk steht noch aus.

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