Meisterwerke der Kammermusik

Wettenberg . Regelmäßig ist das HR-Sinfonieorchester mit seinen Kammerkonzerten bei den Wettenberger Winterkonzerten in der evangelischen Kirche in Wißmar zu Gast. Am Sonntag präsentierten die Musikerinnen und Musiker des Orchesters zunächst das B-Dur-Streichsextett op. 18 für zwei Violinen, zwei Violen und zwei Violoncelli von Johannes Brahms (1833-1897), das in den Jahren 1858 bis 1860 entstand.
Nach der Pause erklang vom gleichen Komponisten das G-Dur-Streichsextett op. 36, das 1864/65 entstand. Die beiden Sextette von Brahms gehören zu den Meis-terwerken der Streicher-Kammermusik.
Zwei Werke einer Gattung
Herzlich begrüßt wurde die Zuhörerschaft zunächst vor dem Auftritt von Pfarrerin Alexandra Hans und Bürgermeister Marc Nees. Bei freiem Eintritt wurden die Besucher beim Ausgang um eine Spende für die Kirche gebeten.
Brahms komponierte oft zwei Werke einer Gattung in enger zeitlicher Nachbarschaft. Deshalb gibt es von ihm zwei Klarinettensonaten, zwei Klavierquartette, zwei Serenaden und zwei Sextette in der Besetzung mit zwei Geigen, zwei Bratschen und zwei Celli. Innerhalb des B-Dur-Sextetts spielt auch die paarige Konstellation eine Rolle, die sich als Dialog zwischen den einzelnen Instrumenten zeigt. Brahms führt seinen Satz in zwei Trio-Konstellationen durch und konnte damit die Möglichkeit einer größeren Kammermusikbesetzung klanglich nutzen, ohne damit die Transparenz des Klanges zu opfern.
Die zweite Bratsche breitet zu Beginn des G-Dur-Sextetts einen bunten und lebhaften Klangteppich für die anderen Instrumente aus. Mit dieser Klangregie lässt Brahms die leere G-Saite ausdrucksvoll nachschwingen und will damit Körper, Herz und Geist gleichermaßen ansprechen. Die klanglichen Möglichkeiten werden in der Sextett-Besetzung voll ausgeschöpft und mit den doppelt besetzten tiefen Instrumenten Bratsche und Cello klingt alles dunkler und reichhaltiger.
Beide Kompositionen wurden von Stefano Succi (Violine), Fanny Pujol (Violine), Dashiel Nesbitt (Viola), Peter Zelienka (Viola), Ulrich Horn (Violoncello) und Valentin Scharff (Violoncello) in hervorragender Weise interpretiert und dem begeisterten Publikum ausdrucksvoll dargeboten.
Neben dem »Deutschen Requiem« waren die beiden Sextette für den musikalischen Durchbruch des jungen Komponisten verantwortlich. Um sein kompositorisches Geschick nach der Begegnung mit dem Ehepaar Schumann in Düsseldorf im September 1853 zu entwickeln, setzte sich Brahms mit Kammermusik für Streicher auseinander. Zunächst scheiterte der Versuch ein Quartett niederzuschreiben, denn das besondere Ansehen von Beethovens hochstilisierten Quartetten, hemmte seinen Ideenfluss. Doch in den unbelasteten Sechser-Besetzungen fand Brahms schließlich sein Experimentierfeld, in dem er sein Talent beweisen konnte.
Mit der weit ausschweifenden Melodie im B-Dur-Sextett hatte er den Zeitgeist voll getroffen. Statt komplexer kontrapunktischer Ausführungen wurde das musikalische Geschehen nunmehr den melodieführenden Stimmen untergeordnet. So wurde dieses Sextett zum ersten großen Erfolg des Komponisten. Fünf Jahre später markiert das G-Dur-Sextett bereits den Beginn von Brahms enormer künstlerischer Reife.
Die Wettenberger Winterkonzerte werden am Sonntag, 5. März, um 17 Uhr in der evangelischen Kirche Wißmar fortgesetzt. Zu Gast sind dann Julia Adler-Brembeck (Viola) und Christian Brembeck (Klavier) mit Sonaten für Viola und Klavier und Werken von Johannes Brahms, César Franck und anderen. Der Eintritt ist wie immer frei.