»Menschenrechte als Grundlage für den Frieden«

»Energiekrise, Wirtschaftskrise, Weltkrise? Beitrag der Jugend für Frieden« - unter diesem Titel hatte die Ahmadiyya Muslim Jugend Deutschland zu einem Friedenssymposium in Gießen eingeladen.
Gießen (lix). »Wir leben in einer Stadt, in der man die Folgen des Zweiten Weltkriegs auch knapp 80 Jahre nach Kriegsende noch im Stadtbild erkennen kann. 86 Prozent des historischen Stadtkerns wurden damals zerstört. Nach Dresden war Gießen die am stärksten zerstörte Stadt,« erinnerte Stadträtin Astrid Eibelshäuser zu Beginn eines Friedenssymposiums, zu dem die Ahmadiyya Muslim Jugend Deutschland eingeladen hatte. Das Motto: »Energiekrise, Wirtschaftskrise, Weltkrise? Beitrag der Jugend für Frieden«. Zu Gast waren Experten aus Politik, Wissenschaft und Religion, die Denkanstöße gaben und über friedensfördernde Maßnahmen diskutierten.
Die Geschichte der Stadt zeige jedem auf, welch verheerende Folgen Krieg haben kann, so Eibelshäuser weiter. Für sie beginnt Frieden bereits innerhalb der Nachbarschaft, der Familie, oder bei den Arbeitskollegen. Aber: »Wir müssen auch die Perspektiven der Anderen verstehen, Empathie spüren und entgegenbringen.«
Karl-Heinz Peil, Mitglied des Bundesausschusses Friedensratschlag sowie verantwortlicher Redakteur des Magazins Friedensjournal, forderte für den globalen Frieden eine »umfassende Zusammenarbeit der Länder, um menschliche Sorgen anzugehen«. Der Leiter der Friedens- und Zukunftswerkstatt Frankfurt prangerte die »Doppelmoral vieler Nationen« an, die immer ein »Feindbild« bräuchten, das »an allem Schuld« sei. »Dabei werden viele andere Konflikte auf der Welt verdrängt.« Zudem stellte Peil klar, dass man sich von dem Gedanken verabschieden müsse, dass die westlichen Werte die einzig richtigen seien. »Manche Länder in Afrika interessieren sich zurecht wenig für demokratische Werte, da sie gerade unter akuter Nahrungsknappheit leiden - ausgelöst durch die stockenden Weizenlieferungen aus der Ukraine. Wenn man Armut und Elend nicht beseitigt, wird es keinen Frieden geben.«
Zu einem ähnlichen Fazit kam Fabian Mirold-Stroh. Der Student und Stadtverordnete der Grünen sprach zunächst über den »Elefanten im Raum« - den Ukraine-Konflikt. Seiner Meinung nach war der Krieg angesichts der aggressiven Grundhaltung Russlands, die nicht mit der Annexion der Krim 2014 begonnen habe, sondern bereits mit der Besetzung Georgiens 2008, zwar kaum vermeidbar. »Allerdings hätte die Frage der Solidarität viel früher und klarer beantwortet werden müssen - vor allem mit frühzeitigen und gemeinschaftlichen Sanktionen.« So liege es jetzt an der Politik, neue Sicherheitsstrukturen zu implementieren, die das Völkerrecht durchsetzen und nicht zu einer neuen Aufrüstungsspirale führen. »Um zukünftige Krisen zu meistern, müssen wir die Grundbedürfnisse sichern. Das heißt: Bildung, Nahrung und Gesundheit für alle«, resümierte der Student.
Adnan Ranjah, Imam und Theologe der Ahmadiyya Muslim Gemeinde, verwies in seinem Beitrag auf die Grundgedanken des Islams, die da lauten: »Frieden finden als Individuum sowie Frieden in der Gesellschaft schaffen.« Dabei gehe es insbesondere um drei zeitlose Prinzipien, die es anzueignen gelte: »Der Mensch sollte einen Sinn für Gerechtigkeit haben und jeden gleich behandeln. Zudem uneigennützig sein und dadurch Vergebung walten lassen. Und zu guter Letzt sollte er vor allem Liebe spenden, Mitgefühl zeigen.« Heutzutage stünden die persönlichen und eigenen Rechte oftmals über dem Wohl anderer - ein Punkt, der sich »wieder drehen muss«.
Für Prof. Jürgen Bast, Rechtswissenschaftler der Justus-Liebig-Universität, sind besonders die »Menschenrechte die Grundlage des Friedens«. Als Beispiel schob er nach: »Gießen ist eine Arrival-City. Für viele Flüchtlinge kann hier ein neues Leben entstehen, weit weg von Krieg und Terror. Es liegt an uns Alteingesessenen, die neuen Mitmenschen zu begrüßen und zu unterstützen.« Jeder sei schließlich ein Teil der Gießener Stadtgesellschaft und bringe seine eigene Expertise mit. Sein Plädoyer: »Gemeinsam auf Verständigung und Interessen setzen.«
In der Podiumsdiskussion suchten alle Rednerinnen und Redner den Konsens. Zugleich wurde angeregt, dass solche Veranstaltungen wie das Friedenssymposium, bei dem gemeinschaftlich gedacht und gehandelt werde, häufiger stattfinden müssten. »Friedensinitiativen zusammenschließen, um gemeinsam Grenzen zu überwinden« lautete der Tenor. Ebenso solle die Jugend mit ihren Visionen mehr gefördert und einbezogen werden.
Die Ahmadiyya Muslim Jugend selbst zeigt soziales und uneigennütziges Engagement in der Stadtgesellschaft. So pflanzt die 77-köpfige Ahmadiyya Muslim Jugend Gießen nicht nur jedes Jahr Bäume, oder pflegt die lange Tradition des alljährlichen Neujahrsputzes, sondern hilft auch mit Blutspendeaktionen und Speiseausgaben an Obdachlose.