Miete zahlen bis 2056
Die Stadt Gießen möchte die neue Turnhalle der Liebigschule durch einen Investor im Erbbaurecht errichten lassen. Pro Monat würden 118277 Euro fällig.
Gießen . Und wieder soll alles schnell gehen. Zwei Tage vor der Sitzung der Stadtverordneten hat der Magistrat einem Vertrag über den Neubau der Turnhalle der Liebigschule zugestimmt. Die Bietergemeinschaft Weimer/Revikon, die sich gegen einen zweiten Bewerber hatte durchsetzen können, soll im Erbbaurecht die neue Halle errichten und für 30 Jahre an die Stadt vermieten, bevor das Areal einschließlich der neuen Turnhalle wieder an die Stadt zurückfällt. Das teilten Oberbürgermeister Frank-Tilo Becher und Schuldezernentin Astrid Eibelshäuser am Dienstag der Öffentlichkeit mit.
Sollten die drei Fraktionen der Regierungskoalition sich für diesen Plan erwärmen, könnte das Stadtparlament ihm bereits am Donnerstag zustimmen. Damit würde man viel Zeit gewinnen, meinte Eibelshäuser, da die Stadtverordneten ja erst im Juni wieder zusammenkommen. Idealerweise soll die alte Turnhalle nämlich in den Sommerferien abgerissen werden, um die Belastung für Schüler und Lehrer so gering wie möglich zu halten. Mit einem Beschluss im Juni steige aber wiederum das Risiko, dass es zu nicht vorhersehbaren Verzögerungen kommen könnte, so die Dezernentin. Läuft aber alles nach Plan, dann soll die neue Halle am 30. Dezember 2026 fertiggestellt sein.
Pachten ist billiger
Der Gesamtfinanzbedarf für die neue Turnhalle wird vom Magistrat mit rund 45,6 Millionen Euro für die Gesamtlaufzeit des Erbbaupachtvertrages von 30 Jahren angegeben. Darin eingerechnet sind aber auch schon die in diesen drei Jahrzehnten anfallenden Wartungs- und Instandhaltungskosten. Pro Monat 118 277 Euro und 94 Cent müsste die Stadt laut der Magistratsvorlage dem Investor bis 2056 als Miete für die neue Turnhalle überweisen.
Becher und Eibelshäuser betonten unisono, dass die Erbbaurecht-Variante die Stadt billiger komme als der Bau und der Unterhalt einer neuen Turnhalle in eigener Regie. Das sei nur auf den ersten Blick günstiger. Ein privater Investor sei in der Regel schneller handlungsfähig, wenn beispielsweise bei der Fundamentierung Probleme auftreten sollten.
Auf einen schnellen Blick nachprüfen lässt sich das nicht, weil die Berechnungen beider Varianten nur schwer miteinander zu vergleichen sind und in der Magistratsvorlage der Gesamtfinanzierungsbedarf für die Variante 1 (die Stadt als Bauherr) fehlt.
Astrid Eibelshäuser betonte auch, dass es sich bei dem jetzt vom Magistrat gewählten Modell um kein klassisches »Public-Private-Partnership«-Projekt (PPP) handele. Für die öffentliche Hand bedeuten PPP-Projekte eine Entlastung ihres Haushalts, weil der private Investor die Finanzierung alleine stemmt, dafür aber einen sicheren Pachtvertrag über einen langen Zeitraum besitzt.
Die Stadt habe aber einen Entwurf für die Halle, den sie realisieren wolle - und der werde auch vom Investor passgenau nach den Vorstellungen der Stadt umgesetzt. »Es gibt nicht nur einen Weg, öffentliche Gebäude zu errichten«, sagte Eibelshäuser. »Wir brauchen auch beim Bauen mehr Diversität.«
Um eine weitere Nettoneuverschuldung zu vermeiden, aber auch wegen begrenzter Personalressourcen im Hochbauamt, hatte der Magistrat bereits im September vergangenen Jahres anderweitige Projektträger- und Finanzierungsmöglichkeiten für den Bau der Halle geprüft.
Geplant ist die neue Sporthalle als doppelstöckiges Gebäude, das auch für Leichtathletikdisziplinen geeignet ist. Vorgesehen sind unter anderem eine 50-Meter-Laufbahn und Einrichtungen für den Stabhochsprung und den Weitsprung. Daneben sind variable Flächen für Ballsportarten im Obergeschoss vorgesehen.
Auch energetisch soll die Halle im KfW40-Standard auf dem neuesten Stand der Energieeffizienz sein. So sollen zwei Fassaden des Gebäudes und das Hallendach begrünt werden. Eine Photovoltaikanlage und eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung sollen die Energiekosten drücken. Darüber hinaus plant die Stadt die Nutzung von Regenwasser und einen Anschluss an das städtische Fernwärmenetz.
Nötig geworden war der Neubau, als die in die Jahre gekommene »Lio«-Halle 2019 quasi über Nacht geschlossen werden musste, so schlecht war ihr baulicher Zustand. Ein Gutachten hatte dann ergeben, dass die ursprünglich von der Stadt geplante Sanierung des Altbaus nicht wirtschaftlich sei, weil in diesem Fall nicht nur das marode Dachtragwerk des Gebäudes saniert, sondern die Halle auch energetisch aufgerüstet werden müsste. Auch weil die Sporthalle den wachsenden Bedarf der Schule nicht mehr deckte, hatte sich der Magistrat für einen Neubau entschieden.
Zufrieden zeigt sich »Lio«-Direktor Dirk Hölscher. Das Gymnasium sei »sehr gut« in den Planungsprozess eingebunden gewesen, teilt er auf Anfrage des Anzeigers mit. Und fügt hinzu: »Wir freuen uns, dass es hoffentlich bald losgeht. Nach nun vier Jahren ohne eigene Sporthalle können wir den ersten Spatenstich kaum erwarten.«