Mieterverein kritisiert Fernwärmeerhöhung
Gießen (red). Der Mieterverein Gießen hält die neuerliche Anhebung des Fernwärmepreises der Stadtwerke Gießen (SWG) zum 1. April für falsch und unangemessen. Nach der Fernwärmeverordnung (AVB) setze sich der Fernwärmepreis für den Kunden aus verschiedenen Komponenten zusammen, so der Mieterverein. Entscheidend sei der sogenannte Arbeitspreis. Mit ihm wird der Wärmeverbrauch abgerechnet.
Meist erfolge das mit komplizierten Formeln, die von den wenigsten Kunden nachvollziehbar seien. Der Fernwärme-Arbeitspreis beträgt bei den Stadtwerken Gießen (SWG) nach der Erhöhung stolze 24,28 Cent/KWh, nach zuletzt 17,61 Cent/KWh. Eine Steigerung um rund 40 Prozent. Verglichen mit dem Wert von Januar 2021 habe sich der Wert sogar mehr als verdreifacht, kritisiert der Verein. Im Januar 2021 lag der Arbeitspreis noch bei 7,54 Cent/KWh.
Preis für Gas gesunken
Den jeweils geltenden Arbeitspreis habe die Regierung für die Kunden von Fernwärme auf 9,5 Cent brutto pro Kilowattstunde gedeckelt. Was ein Versorger darüber hinaus berechne, übernehme für 80 Prozent des Verbrauchs der Staat. »Da ist die Versuchung der Versorger offenbar groß, einen hohen Preis zu verlangen«, heißt es in der Pressemitteilung. Dabei seien die Energiepreise, die zur Erzeugung der Wärme benötigt werden, etwa Gas, inzwischen wieder in etwa auf das Niveau vor Beginn des Ukraine-Kriegs gesunken. Die Stadtwerke Gießen verwenden für ihre Fernwärmeversorgung schon zu einem nicht geringen Teil kein Gas mehr. Folgt man den Aussagen des Energieberichtes 2021, so sind es rund 32 Prozent. So wird etwa die bei der Abfallverbrennung in den beiden Thermischen Reststoffbehandlungs- und Energieverwertungsanlagen (TREA 1 und 2) anfallende Abwärme in das Fernwärmenetz eingespeist. In der Formel der SWG für die Berechnung des FW-Arbeitspreises gibt es aber nur einen Bezug zum Gaspreisindex.
Dabei müssen die Versorger in der Preisformel ihre Kosten für die Energie so berücksichtigen, dass diese sich auch an der tatsächlichen Zusammensetzung der Fernwärme orientieren. »Ein Versorger darf nicht zum erheblichen Teil einen günstigen Brennstoff nutzen, aber zu 100 Prozent einen anderen, teuren abrechnen«, erklärt man beim Mieterverein. Es widerspreche zudem der Fernwärmeverordnung, wenn ein intransparenter und sehr teurer Börsenpreis für Gas verrechnet wird. »Die Stadtwerke müssen daher ihren Fernwärmepreis zum 1. April nicht erhöhen, sondern senken«, so die Forderung.
Der Verein verlangt deutlich mehr Transparenz im Fernwärmebereich. Dazu sei auch eine systematische bundesweite Preisaufsicht notwendig, wie sie die Bundesnetzagentur über Strom- und Gasanbieter ausübt. Es brauche eine Genehmigungspflicht für die Preisanhebungen. Die Fernwärmeverordnung sei von 1980, weshalb der Bundesgerichtshof schon mehrfach Auslegungen vornehmen musste. Das Bundeskartellamt habe nach Aussage des Mietervereins erhebliche Mühe mit der Preisüberwachung der Fernwärme.
»Sofern Fernwärme zu einem fairen Preis angeboten wird, hat sie auch große Vorteile: Nicht jedes Haus braucht eine eigene teure Heizung. Das ist klimafreundlicher und eignet sich in einem eng besiedelten kleinen Bereich besonders gut«, so der Mieterverein abschließend.