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Milch, Musik und ganz viel Hoffnung

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Klaus Dewald (li.) und Harald Weiß mit dem Trio Mandili vor einem der Hilfstransporter. © Leyendecker

Das in Gießen ansässige Hilfwerk GAiN schickte erneut einen Hilfstransport in Richtung Ukraine. Diesmal war neben Milch und Mehl auch ein Musikerinnentrio mit dabei.

Gießen. Klaus Dewald und Harald Weiß wissen beide, wie Krisen zu bewältigen sind. Humanitäre Hilfe liegt beiden im Blut, doch meist ist Dewald derjenige, der an die »Front« fährt und Weiß derjenige, der alles im Hintergrund nach außen hin kommuniziert. Die Fahrt mit einem Lkw-Konvoi an die polnisch-ukrainische Grenze vergangenes Wochenende war nicht das erste und nicht das letzte Mal für die Mitarbeiter des in Gießen ansässigen Global Aid Networks (GAiN), um vielfältige Hilfe zu leisten. Diesmal war Weiß jedoch aktiv dabei und musste selbst feststellen, dass nicht immer alles reibungslos läuft.

Weiß ist sonst für die Öffentlichkeitsarbeit des christlichen Hilfswerks zuständig, ein Mann mit kräftigem Händedruck, offenem Ohr und inzwischen immer mit einem Telefon in der Hand. »Für die Koordination. Ich lege das Handy derzeit kaum aus der Hand«, lacht Weiß.

Eigentlich wollte er zusammen mit einem Team von insgesamt 13 Menschen, darunter auch drei georgischen Musikerinnen, insgesamt 90 Tonnen Hilfsgüter bis nach Riwne in die Ukraine bringen, ein Ort auf der halben Strecke zwischen Lwiw und Kiew. Mit vier Lkws, beladen hauptsächlich mit Grundnahrungsmitteln wie Milch und Kartoffeln, war das Team in Mittelhessen aufgebrochen, doch die Planungen mussten kurzfristig geändert werden. »Das, was wir befürchtet hatten, ist eingetreten. Wir wurden von offiziellen Kreisen gewarnt, dass ausländische Konvois derzeit zu gefährdet sind. Wir wären sonst Gefahr gelaufen, unter Beschuss zu geraten und deswegen konnten wir nicht rein. Das haben wir aber schon vorzeitig erfahren. Also haben wir Plan B ausgepackt und sind ins schlesische Legnica (Liegnitz) gefahren und haben dort unsere Waren auf ukrainische Laster umgeladen«.

Anstelle der deutschen Konvois brachten so die ukrainischen Fahrer die dringend benötigten Hilfsgüter zum Ziel.

Damit es nicht auffällig wurde, fuhr ein Fahrer nach dem anderen los und brachte die Waren zum ukrainischen Zielort, teilweise auch unter Gefahr für Leib und Leben - das sei aber jedem Fahrer derzeit mehr als bewusst. »Laut unserer Partner wird die Hungersnot täglich schlimmer. Läden machen dicht, weil es nichts mehr zu kaufen gibt, obwohl Geld teilweise noch da ist. Milch ist sehr begehrt, da wurden uns die Kartons aus den Händen gerissen«. Der Dank von Weiß geht auch an die polnischen Unterstützer: »Die Polen sind sehr gastfreundlich und hier in Legnica gibt es nicht nur Notunterkünfte. Fast jede polnische Familie hat einen Raum oder eine ganze Wohnung freigemacht und beherbergt nun Ukrainer. Es ist der helle Wahnsinn«.

76 Lastwagen hat GAiN bereits in das Kriegsgebiet geschickt. Für Weiß ist das jedes Mal eine unfassbare Leistung, denn regulär verlassen nur zwei Laster pro Woche das Lager. »Das ist alles kein Sprint mehr, den hatten wir in den ersten Wochen. Inzwischen liegt ein Marathon vor uns und wir wissen nicht, wie lang der sein wird«. Fünf Lkw gehen weiter pro Woche in Richtung Osten raus, viele davon über Gießen. Die Spendenbereitschaft sei weiterhin hoch, wenngleich nicht mehr so stark wie noch zu Beginn der Krise. Ein Phänomen, was sich auch bei der Flutkatastrophe im Ahrtal beobachten ließ.

Mit an Bord war bei dieser Fahrt das Musikerinnen-Trio Mandili aus Georgien, die den Konvoi ohnehin planmäßig bis Legnica begleiten wollten. »Wir haben richtig gesehen, wie Musik die Menschen verbindet. Das war bewegend«, erzählte Weiß. Die Musikerinnen von Mandili erzählten im Gespräch mit dieser Zeitung vor ihrer Abfahrt, dass sie nicht nervös seien, aber gespannt darauf, was sie vor Ort in Polen erwarte. Sie hofften, mit ihrer Musik den Menschen eine Freude zu machen und wollten helfen, das Leid der Flucht und das Leid des Krieges zumindest für einige Stunden zu vergessen. »Mandili haben noch auf der Fahrt zu uns nach Gießen und später auf der Fahrt nach Polen ukrainische Volkslieder gelernt und wir hatten eine super Verbindung. Die drei singen und haben eine georgische Laute mitgebracht. Das kam wahnsinnig gut an«, erzählte Weiß. Gerade ältere Frauen hätten sich bei den Volksliedern so sehr gefreut, dass sie spontan zu tanzen begonnen hätten. Einige hatten Tränen in den Augen, andere waren tief ergriffen. »Mandili sagte zu mir, Musik ist eine Hilfe für die Seele. Wir von GAiN hingegen bringen die praktische Hilfe. Wir werden weiter zusammenarbeiten, das stand für uns schnell fest«.

Das Global Aid Network bittet weiterhin um Spenden für die Ukraine. Auf der Webseite des Hilfswerkes lassen sich Anleitungen finden, wie jeder selbst Lebensmittel- oder Hygienepakete zusammenstellen kann. Die fertigen Pakete können dann in der Siemensstraße 13 in Gießen abgegeben werden. Haltbare Lebensmittel nimmt das Hilfswerk auch so an. Genauere Infos unter: gain-germany.org. Die Anleitungen stehen auf der Webseite unter Mitmachen, Hilfsgüter spenden. Geld für die Transportkosten in die Ukraine kann ebenfalls gespendet werden.

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