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Miniaturen zum Mittag

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Von: Björn Gauges

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Mann der tiefen Töne: Bassklarinettist Thomas Orthaber. © Björn Gauges

Die populäre Reihe der Mittagskonzerte im Rathaus wurde wieder aufgenommen. Und der erste Auftritt der sieben Musiker machte gleich Lust auf mehr.

Gießen. Drei Jahre mussten die Musiker und ihr Publikum darauf warten: Gestern wurde die von Mitgliedern des Philharmonischen Orchesters 2009 ins Leben gerufene Reihe der kostenlosen Mittagskonzerte endlich wieder aufgenommen. Und es war ein bisschen so, als hätte es die lange Corona-Unterbrechung nie gegeben. Die Stimmung im Hermann-Levi-Saal des Rathauses war überaus entspannt, viele der treuen Besucher standen nach Öffnung der Türen auf einen lebhaften Plausch zusammen im Saal und alle waren voller Vorfreude auf das Programm, das von dem Posaunisten Alexander Schmidt-Ries moderiert wurde.

Viele fragten nach Neubeginn

»Wir sind wieder da!«, strahlte der Musiker, der zunächst davon berichtete, wie er auf die von vielen sehnlichst ersehnte Reihe angesprochen worden sei. »Ob per E-Mail oder auf dem Wochenmarkt - immer wieder wurde ich gefragt, wann es wieder losgeht«, berichtete er. Einer der Fans dieses Programms ist Lina König aus Linden. Sie war gerade zum dritten Mal in der Donizetti-Oper »Caterina Cornaro«, beim letzten Mal »habe ich eine Freundin überredet, mitzukommen«. Die Klassik-Liebhaberin hat ein Abo im Stadttheater, sucht aber auch sonst immer wieder nach Orten, an denen die Musik spielt. Wie nun im Rathaus.

In den dort von den Musikern des Gießener Orchesters selbst organisierten «Mittagskonzerten« probieren sich wechselnde kammermusikalische Besetzungen nun wieder einmal im Monat an selten gespielten Stücken und ungewöhnlichen Arrangements aus.

Zugleich gehe es bei den »Mittagskonzerten« nicht darum, mit Pauken und Trompeten die Bühne zu erstürmen. Sondern »mit der kleinsten Form der Kammermusik« das Publikum zu überraschen: dem Duo. Das gelang gleich zum Auftakt mit originellen Klangminiaturen aus der Feder des Sachsen Andreas Breiter (Jahrgang 1959). Der hat so interessante Titel für seine Stücke gefunden wie »Pfannkuchentanz«, »Schwerer Gang zur Disco« »Beschwipste Grille«, oder »Vor und nach dem Gläschen«. Welcher Inhalt in diesem Gläschen steckte, blieb der Fantasie jedes Einzelnen überlassen, Kirsten Mehring an der Piccolo-Flöte und Thomas Orthaber an der Bass-Klarinette zeigten jedoch auf der Konzertbühne einen Gegensatz, der Hochprozentiges vermuten lässt. Zum einen die bisweilen fast schrillen Töne mit der Flöte, zum anderen das gravitätisch tiefe Brummen des Holzbläsers. So entstanden gewitzte Duette, von denen wohl kaum jemand im Publikum zuvor schon einmal gehört hatte.

Ähnlich und doch ganz anders zeigte sich das Blechbläserduo Johanes Osswald und Nobuo Tsuji, das Stücke des Ungarn Zoltán Kodály präsentierte. Der Komponist und Musikethnologe suchte auf dem Land nach originärer Volkskunst seiner Heimat und nahm dazu Lieder auf Tonband auf, um sie in Noten zu fassen. Davon gab das Duo, das von Kapellmeister Wolfgang Wels am Klavier begleitet wurde, einen Eindruck.

Hinein ins Hier und Heute führte schließlich der Auftritt des Duos Anselm Schmieg und Alexander Schmidt-Ries, die den »Devil’s Waltz« - den Teufels-Walzer - des jungen Belgiers Steven Verhelst mit ihren Posaunen nachtanzten. Da steckte auch Jazz und Pop und einen Prise Wahnwitz drin, die dieses Stück zu einer weiteren funkelnden kleinen Entdeckung werden ließen.

Wie Schmidt-Ries am Ende berichtete, sei er immer wieder von Besuchern aufgefordert worden, für diese Konzerte Eintritt zu nehmen. Doch das wollten die Musiker nicht: »Es ist ja genau das Konzept dieses Formats«. Umso mehr freuen sie sich, nun mit dem Theaterverein und einem lokalen Unternehmen zwei Sponsoren gefunden zu haben, dank denen die Reihe für »die nächsten zwei Jahre gesichert ist«. Lina König jedenfalls kündigte nach dem letzten Ton an: »Ich bin beim nächsten Mal wieder da.«

Die Reihe wird am Dienstag, 21. Februar, um 13 Uhr fortgesetzt. Asia Safikhanova (Querflöte) und Vasily Antipov (Laute) haben dann Stücke von Georg Friedrich Händel im Programm.

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Die beiden Blechbläser (von rechts) Johanes Osswald und Nobuo Tsuji wurden bei ihrem »Devil’s Dance« begleitet von Kapellmeister Wolfgang Wels. Fotos: Gauges © Gauges

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