Mit 70 zurück in der Schule

Freiwilligendienst aller Generationen: Karl Peter Plate hilft an der »Lio« in Gießen
Gießen . Seine eigene Schulzeit liegt bereits über ein halbes Jahrhundert zurück, trotzdem besucht Karl Peter Plate von montags bis freitags die Liebigschule, denn der 70-Jährige ist hier ehrenamtlich in der Nachmittagsbetreuung im Einsatz. Gemeinsam mit Lehrerin Beate Brunkau, die die Nachmittagsbetreuung leitet, sowie weiteren Lehrkräften, Lehramtsstudierenden und jungen Menschen, die ein Freiwilliges Soziales Jahr absolvieren, kümmert er sich um die Kinder und Jugendlichen, für die es nach dem Unterricht noch nicht nach Hause geht. »Es ist etwas völlig anderes für mich«, sagt der studierte Jurist. »Aber es macht sehr viel Spaß und hält mich fit.«
Die pädagogische Nachmittagsbetreuung an der Liebigschule steht nach Anmeldung den Schülerinnen und Schülern der Jahrgänge 5 bis 8 zur Verfügung. Nach einem gemeinsamen Mittagessen in der Mensa erledigt der Nachwuchs Hausaufgaben und wer keinen Unterricht mehr hat, gestaltet den Nachmittag nach eigenen Interessen: In der Mediathek kann man sich ein Buch schnappen, die Schränke für die Betreuung sind prall gefüllt mit Spielen sowie Mal- und Bastelutensilien oder man liefert sich mit Karl Peter Plate ein Duell am Tischkicker - so wie Enno und Jannik.
»Er ist nie schlecht gelaunt«
»Er ist immer gut drauf, nie schlecht gelaunt«, sagt der zehnjährige Jannik. Außerdem könne man mit dem ehrenamtlichen Betreuer auch mal über Dinge sprechen, über die man mit den Lehrern nicht reden will. Der zwei Jahre ältere Jannik freut sich besonders darüber, wenn der Senior mit den Schülern auf dem Pausenhof unterwegs ist - denn dann wird draußen fleißig gekickt oder man probiert sich an der Kletterwand aus. »Er beschäftigt sich aktiv mit uns. Das ist toll« findet der Zwölfjährige. Und sein Betreuer ist froh, wenn es die Jungs raus zieht, auch im Winter: »Es ist wichtig, dass sie sich bewegen und nicht nur den ganzen Tag rumsitzen.«
Seit April 2022 ist Karl Peter Plate an der »Lio« im Einsatz. Der zunächst auf sechs Monate ausgelegte Dienst wurde bereits verlängert. Aufmerksam geworden auf das Ehrenamt ist er über den Freiwilligendienst aller Generationen beim Freiwilligenzentrum für Stadt und Landkreis Gießen. Das Alter sei für den Einsatz in der Schule nebensächlich, betont Projektleiterin Katharina Traoré. »Wichtig ist, dass man gerne mit Kindern zusammenarbeitet.« Dabei sei Karl Peter Plate aber nicht nur »der Freund, der mitspielt. Er achtet auch darauf, dass die Regeln eingehalten werden«. Dazu gehört beispielsweise, dass Handys und Co. in der Nachmittagsbetreuung nichts zu suchen haben und sich der Nachwuchs bei einem Betreuer abmelden muss, wenn er geht.
Durchschnittlich 90 bis 100 Schülerinnen und Schüler besuchen die Nachmittagsbetreuung an der Liebigschule, wobei nicht alle Tage gleich stark frequentiert seien, berichtet Lehrerin Beate Brunkau. Montags und freitags sind sie und ihr Team bis 15 Uhr im Einsatz, dienstags bis donnerstags bis 16 Uhr. »Die Nachmittagsbetreuung ist keine Aufbewahrung«, betont die Leiterin. Alle Betreuer seien »mit Weitsicht und Augenmaß« für die Schülerinnen und Schüler da.
Während Karl Peter Plate noch mit den Jungs am Tischkicker steht, sitzt Lea Schußmann einige Meter weiter an einem Tisch und bastelt mit zwei Schülerinnen. »Er hat immer ein offenes Ohr für die Kinder«, sagt die 21-Jährige, die gerade ein Freiwilliges Soziales Jahr an der »Lio« absolviert. Für manche Kinder sei der 70-Jährige »ein bisschen wie ein Opa. Und das ist ja etwas sehr Schönes«.
Aber nicht nur die Schule profitiert von dem Ehrenamt: »Es ist belebend für beide Seiten«, findet der 70-Jährige. »Man lernt lebenslang, auch von den Jüngsten.« Und gerade wenn die eigenen Kinder bereits erwachsen und selbst Eltern sind, blicke man mitunter anders auf eine Situation, als die jüngeren Kollegen. »Er kann hier seine ganze Lebenserfahrung einbringen«, verdeutlicht Lehrerin Beate Brunkau, die ebenso wie Schulleiter Dirk Hölscher hofft, dass der Ehrenamtler ihnen noch länger erhalten bleibt: »Wir sind alle sehr froh, dass er da ist.«
Der Freiwilligendienst aller Generationen steht allen Menschen ab 16 Jahren offen und wird vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert. Zielgruppen sind Personen, die sich neu orientieren wollen sowie junge Menschen, die Praxiserfahrung sammeln und sinnvoll freie Zeit überbrücken möchten. Aber auch »junge Alte«, die nicht mehr berufstätig sind, können einen Freiwilligendienst absolvieren. Das Freiwilligenzentrum für Stadt und Landkreis Gießen berät Träger/soziale Einrichtungen und interessierte Menschen kostenfrei und unterstützt bei der Umsetzung. Kontakt unter 0641/97225424 oder projekte@freiwilligenzentrum-giessen.de.

