Mit dem Schraubenzieher im Tuschefässchen

Gießen. Pünktlich zum Ferienanfang präsentiert das Zentrum für interkulturelle Bildung und Begegnung Gießen (ZIBB) eine neue Kunstausstellung. Burçak Konukman bildet zusammen mit Richard Williams das Gießener Künstlerduo »Burrik«, das nun eine Schau mit dem Titel »Extetic« präsentiert. Zu sehen sind zwei Werkgruppen mit Malerei sowie teils erotischen Collagen.
Am Eröffnungsabend waren die beiden Künstler auch musikalisch aktiv, ihre Band spielte hinter dem Haus »eine Mischung aus Avantgarde-Jazz und Punkrock« (Williams).
Richard Williams, Jahrgang 1980, stammt aus München und wuchs in Garmisch-Partenkirchen auf. Hin- und hergerissen zwischen der Liebe zur Kunst und der zu den Naturwissenschaften entschied er sich nach dem Abitur, elterlichem Dafürhalten folgend, für das Studium der Biologie, das er in Gießen absolvierte. Es gab aber seinem Herz »nicht das, wonach es im Leben strebte«, weshalb er sich vor etwa vier Jahren mit Burçak Konukman zusammentat.
In seiner Arbeit geht es dem gebürtigen Bayern Williams im Wesentlichen um drei Aspekte: Ästhetik, Denkanstöße sowie in den Collagen verwendete, allseits zugängliche Materialien. »Die Ausstellung ist unsere Werkschau«, berichtet er. Einen inhaltlichen roten Faden gebe es nicht. Er habe versucht, seiner Tuschemalerei «einen maskulinen Anstrich zu verleihen, indem ich statt mit herkömmlichen Utensilien mit einem Schraubenzieher ins Tuschefässchen gegangen bin und mich dann ausgetobt habe«, berichtet Williams.
Burçak Konukman, ebenfalls Jahrgang 1980, wuchs in Ankara auf und besuchte bis zum Abitur ein künstlerisches Gymnasium, die Ankara Anatolian Highschool of Fine Arts. Später machte er die Ausbildung zum Kunstlehrer. Nach Deutschland kam er 2017, in Hildesheim erwarb er nach einem Erasmus-Stipendium seinen Master im Fach Kulturmanagement. Und in Gießen traf er seine spätere Frau.
Worum geht es in seinen Arbeiten? »Seit zwei, drei Jahren und der Pandemie geht es für mich um Einsamkeit und das Bedürfnis nach Isolation. Und darum, wie man unter solchen Umständen Sexualität lebt. Ein Teil der Bilder stammt vom Berlin Porn Film Festival 2018 und aus Zeitschriften. Aber im Gegensatz zum Mainstream Porn suche ich immer danach, was softer oder freundlicher ist und nach anderen Gesichtern und anderen Körpern als im Mainstream«, erläutert er. Seine Arbeiten seien auch »ein Kommentar zur Zeit.«
Williams verwendet in seinen Collagen häufig Porträts berühmter Künstler, bringt etwa Ozzy Osbourne in Zusammenhang mit der von ihm ersonnenen Schlagzeile »Jugendküchen«. Er entfremdet Hochglanzporträts, indem er sie mit absurden Parolen versieht und so geschickt in einen komplett anderen Zusammenhang überführt: mal antiautoritär, mal albern, mal satirisch. Er zeigt außerdem einige malerische Arbeiten.
Auch Konukmans Bilder stecken voller Ironie, wenn er etwa über ein Foto der Oper in Sidney (Bildunterschrift: »Die Oper in Sidney gehört sicher zu den schönsten Gebäuden der Welt«) ein Foto eines Dutzends glänzender Sexpuppen platziert. Insgesamt ist sein expressiver Ansatz weniger explizit, zum Teil etwas verklärt. So ergibt sich beim Blick in diese Ausstellung ein Blick in die Kunstszene, wie man ihn sonst nicht erhält.
Die Ausstellung ist zu den üblichen Öffnungszeiten im ZiBB (Hannah-Arendt-Straße 6-10) zu sehen. www.zibb-giessen.de.