Mit dem Sternekoch auf Augenhöhe

In Gießen begeistert der aus dem Fernsehen bekannte Koch Stefan Marquard voll motivierte Brüder-Grimm-Schüler für gesunde Ernährung. In der Küche herrscht ein »sympathisches Chaos«.
Gießen. »Habt ihr Hunger?« Stefan Marquard ruft gut gelaunt und mit lauter Stimme aus der Mensaküche der Brüder-Grimm-Schule (BGS). »Jaaaaa!!!«, schallt es von den Erst- und Zweitklässlern zurück, die ungeduldig, in langer Schlange stehend, vor der Essensausgabe warten. Die Mädchen und Jungs sind offensichtlich hungrig und sehr gespannt, denn heute ist ein besonderer Tag: Der TV- und Sternekoch hat gemeinsam mit 18 Mittelstufenschülern der BGS das Menü zubereitet, der leckere Duft macht richtig Lust aufs Essen.
Auch in der Küche herrscht gute Stimmung: Das Menü »Hühnchenbratling an Kartoffel-Gemüse-Stampf und Karottenraspel« sowie eine vegane Variante sind fix und fertig vorbereitet. Die Schüsseln dampfen. Die erste Gruppe der Jungköchinnen und -köche steht bereit. »Macht für die Kleinen nicht zu große Portionen und fragt immer zuerst, was sie haben wollen«, erinnert Stefan Marquard die motivierten Jugendlichen. Dann geht es Schlag auf Schlag: Teller um Teller befüllt das Kochteam vorsichtig und gibt sie an die Grundschüler weiter. Die ersten Schüsseln sind rasch geleert. Routiniert sorgt Marquard für Nachschub und bringt die nächsten Metallbehälter aus dem Warmhalteschrank nach vorne. »Achtung, das ist heiß«, ruft er.
Im Team arbeiten
Bereits seit viertel vor acht sind die Jugendlichen auf den Beinen, haben Karotten geschnippelt, Kartoffeln gestampft und Sauce gerührt. Auch für die erste große Pause haben sie Snacks vorbereitet. »Sterneküche macht Schule« - so nennt sich das Projekt, mit dem Marquard seit 2016 gemeinsam mit der Krankenkasse Knappschaft gesunde Ernährung an Schulen fördert. Schon rund 110 Schulen hat der Fachmann besucht (Bewerbung siehe Info-Kasten). »Essen und Kochen sollen Spaß machen«, lautet die Devise des 58-Jährigen.
Dass dies an der Brüder-Grimm-Schule geklappt hat, können die Jugendlichen nur bestätigen. »Wir haben uns bei Stefan gleich gut aufgehoben gefühlt«, sagen Kara (15) und Ella (14). In der Küche sei man per Du, haben sie gelernt. Und: »Jeder ist wichtig, alle zusammen bilden ein Team, das mit und füreinander arbeitet.«
Der Fernsehkoch mit Bart, Ohring und Zopf, selbst Vater zweier Kinder, kommt bei den Jugendlichen gut an. Sie erleben ihn als zugewandt und authentisch. »Und er weiß viel, wir haben eine Menge bei ihm gelernt. Eine coole Aktion«, resümiert die 15-jährige Laura. Beispielsweise das von Marquard entwickelte »Gemüse aktivieren«. Dies bedeutet, dass das Gemüse vor der eigentlichen Zubereitung mit einer Salz-Zucker-Mischung im Verhältnis 5:1 gewürzt wird. Dadurch kann die Garzeit um rund 75 Prozent reduziert werden und die wichtigen Vitamine, Mineralien und Spurenelemente bleiben so erhalten, wie Marquard erläutert.
Außerdem verstärke diese Behandlung deutlich den Eigengeschmack. »Das gilt übrigens auch für Fleisch und Fisch, da die Gewürze im Rohzustand besser in das jeweilige Lebensmittel eindringen können«, so der Koch. Auch er ist mit seinen Gießener Schützlingen hochzufrieden. »Das war heute ein sympathisches Chaos und die Kids hatten viel Bock aufs Kochen«, meint er lächelnd. Ganz wichtig ist ihm das »Kochen auf Augenhöhe«. »Ich leite zwar an, aber alle müssen zusammenarbeiten, sonst funktioniert es nicht in der Küche.« Nebenbei hat die Truppe ein gesundes Essen für alle kreiert. »Überall ist viel Gemüse drin, auch wenn man es jetzt nicht vermutet«, sagt Marquard. Für den Hühnchenbratling wurden beispielsweise 14 Kilogramm Hühnerfleisch verarbeitet, aber auch zehn Kilogramm Gemüse. Auch der Kartoffelstampf besteht zur Hälfte aus Blumenkohl, die Sauce ausschließlich aus roten Gemüsesorten.
Auch Caterer wird geschult
Lecker und gesund, das freut auch Schulleiterin Barbara Burggraf. Sie strahlt über das ganze Gesicht und ist sichtlich stolz auf »ihre« Schülerinnen und Schüler, die so toll mitgearbeitet haben. »Für uns ist diese Aktion ein wunderbarer Türöffner in Richtung nachhaltige und gesunde Ernährung», erzählt sie. Erst im Februar hatte sich die Schule für das Projekt beworben und war positiv überrascht, eine so schnelle Rückmeldung von der Knappschaft bekommen zu haben.
Ein von Eltern im vergangenen Schuljahr gegründeter »Mensarat« hatte das Thema »Gesunde und nachhaltige Ernährung« ganz oben auf die Agenda gesetzt, erzählt Burggraf. Das Besondere an dem Projekt »Sterneküche macht Schule« sei, dass auch das Mensateam und der Caterer mit ins Boot geholt werden. »Nicht nur die Schüler kochen, was allein schon toll ist, sondern Stefan Marquard und sein Bruder Wolfgang schulen ebenfalls das Mensateam.« Am Ende gibt es konkrete, auf die Schule zugeschnittene Verbesserungsvorschläge für die gesunde Mensaernährung. Und dies ohne zusätzliche Kosten. Nach der Mittagspause fehlt aber noch die Antwort auf die wichtigste aller Fragen. »Hat es Euch geschmeckt?«, möchte der kochende Gast wissen. Diesmal bleibt es still, aber viele kleine Daumen strecken sich nach oben. Mission erfüllt!
»Sterneküche macht Schule« ist ein gemeinsames bundesweites Präventionsprojekt der Knappschaft und des TV- und Sternekochs Stefan Marquard.
Einen ganzen Tag lang ist Marquard aktiv in der Küche der ausgewählten Schule: Er trainiert das Küchenteam, analysiert Abläufe, Arbeitsweisen und eingesetzte Lebensmittel. Alle Verantwortlichen erhalten eine Schulung zu mensarelevanten Themen: von der Optimierung der Einkaufsplanung und Lagerung über eine nährstoffschonende und geschmackserhaltende Zubereitung der Nahrungsmittel bis hin zum Anrichten von Speisen.
Auch eine Schülergruppe wird an dem Tag aktiv einbezogen und erhält ein Kochtraining.
Jede Schulform kann sich bewerben.
Interessierte Schulen können sich für das Projekt unter www.sternekueche-macht-schule.de melden.
