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Mit Gefühl, ohne Lampenfieber

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Von: Ursula Hahn-Grimm

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Zufriedene Gesichter nach dem letzten Soundcheck. Von links: Erika Ehberger (Gesang, Bass), Marie Shuta (Gesang, Klavier), Kateryna Bilenko (Gesang, Gitarre) und Darja Bilenko (Gesang, Schlagzeug). Foto: Hahn-Grimm © Hahn-Grimm

Vier junge Frauen mit ukrainischen Wurzeln sorgen für die Musik im Schauspiel »Hundepark«, das im Großen Haus zu sehen ist. Auch an diesem Freitag.

Gießen . Die gute Laune versprühen sie bis ins Publikum, ihr Rhythmus steckt sofort an. Vier junge Frauen stehen in der aktuellen Inszenierung des Schauspiels »Hundepark« im Stadttheater Gießen am linken Bühnenrand und machen richtig gute Rockmusik: Erika Ehberger (Gesang, Bass), Darja Bilenko (Gesang, Schlagzeug), Marie Shuta (Gesang, Klavier) und Kateryna Bilenko (Gesang, Gitarre). Ihren nächsten Auftritt gibt es an diesem Freitag im Großen Haus zu erleben.

Quartett mit wildem Bühnen-Outfit

Das wilde Outfit des Quartetts mit Stulpenstiefeln, Netzstrümpfen und auffallendem Make-up macht die Szene komplett. Die Musikerinnen stimmen ihr erstes Lied an, »Ein schönes Mädchen«. Das Lied hat Stadttheater-Intendantin Simone Sterr geschrieben, die Klänge stammen von Komponist Jojo Büld. Die eingängige Melodie lässt fast vergessen, dass es in dieser Uraufführung nach einem 2019 veröffentlichten Roman der Finnin Sofi Oksanen um eine tragische Geschichte mit ukrainischen Schauplätzen geht.

Die beiden Hauptfiguren Olenka und Daria tanzen im Stück zur Musik der Band, in der Hand ein Glas Wodka, und sprechen von der Vergangenheit. Die jungen Frauen sind - vor dem 2014 ausgebrochenen Krieg - im Donbass aufgewachsen und dort an eine Agentur für Eizellenspenden geraten. Eine Branche, die den gebärfähigen Körper für lukrative Geschäfte mit dem Westen nutzt. Beide Frauen haben Eizellen gespendet, Olenka ist sogar zur Organisatorin aufgestiegen. Über viele Zwischenstationen sind sie bis nach Helsinki gekommen, wo sie sich am Rande eines Hundeparks wiedertreffen, um zwei ihren Eizellen entstammenden Kindern beim Spielen zuzusehen.

»Olenka und Daria sind zwei starke Individuen, spiegeln aber auch Verzweiflung und Angst«, bekräftigt Sängerin Marie Shuta im Gespräch mit dem Anzeiger. Marie selbst ist 18 Jahre alt und macht gerade an der Ostschule ihr Abitur. Sie ist in Deutschland geboren, ihre Mutter stammt aus Kiew.

Für den Soundtrack zum Stück hatte das Stadttheater nach Sängerinnen gesucht, die biografisch mit der Ukraine verbunden sind und dazu bei der Musikschule Gießen angefragt. »Da unsere gemeinsame Gesangslehrerin, Nadja Eisenberg, selbst aus dem Land kommt und mit den ukrainischen Flüchtlingen, unter anderem Darja und Kateryna, eine Gesangsgruppe zusammengestellt hat, wurde die Nachfrage direkt an sie weitergeleitet«, berichtet Marie. »Sie schickte Erika, Daria, Kateryna und mich und noch zwei weitere aus der Gruppe zum Cas-ting.« Alle vier schließlich für das Projekt ausgewählten Musikerinnen kannten sich zuvor bereits untereinander.

Das trägt vielleicht dazu bei, dass sich der Sound der Band nahezu professionell anhört. Die vier jungen Frauen haben eine gründliche musikalische Ausbildung absolviert. Marie hat schon mit drei Jahren angefangen, Klavier zu spielen und ihre Virtuosität bis heute weiter ausgebaut. Erika Ehberger, 24 Jahre alt, ist seit ihrem achten Lebensjahr in Gießen und hat hier unter anderem Gesangsunterricht erhalten. Sie studiert Volkswirtschaft, in der Band spielt sie den Bass. Darja Bilenko, Gesang und Schlagzeug. ist 18 Jahre alt. Ihre Familie kam wegen des Krieges 2022 aus Donezk nach Deutschland und lebt in Wettenberg. In der Ukraine hat sie eine Musikschule mit Diplom beendet. Die 13-jährige Kateryna Bilenko hatte fünf Jahre Gitarrenunterricht in der Ukraine. Wie ihre ältere Schwester bemüht sie sich, schnell Deutsch zu lernen, um sich in der Schule oder beim Musik machen besser verständigen zu können.

»Wir sind schon vor diesem Auftritt bei anderen Anlässen als ukrainische Gruppe aufgetreten. Zum Beispiel bei einem Neujahrsempfang, auch bei Konzerten auf dem Schiffenberg«, erzählt Marie weiter. Im Stadttheater trägt die Band insgesamt sechs Lieder vor, zwei Lieder stammen von Jojo Büld und Simone Sterr. Außerdem gibt es die Titel »Küss mich« von Shy & Pianoboy, »Du hast mich reingelegt«, »Kalyna«, to be with you« und zuletzt, zusammen mit Schauspieler Zelal Kacik, »What it feels like« von Madonna.«

Dankbar für Chance auf der Bühne

»Die Proben waren zwar sehr intensiv und anstrengend, haben aber auch super viel Spaß gemacht«, berichtet Marie. Und sie verrät, dass die Zusammenarbeit mit ihrem musikalischen Leiter bestens war: « Jojo Büld ist eine so liebe Seele, das hat uns die Arbeit deutlich vereinfacht.«

»Wir funktionieren sehr gut zusammen«, urteilt sie über das Miteinander im Quartett. Dennoch seien sie »sehr dankbar dafür, dass wir diese Chance erhalten haben, so viel Bühnenerfahrung sammeln zu können. Außerdem haben wir viele wunderbare Menschen kennengelernt.« Und wie sieht es mit dem Lampenfieber aus, wenn sich der Vorhang öffnet? Die jungen Musikerinnen zucken die Achseln. Nein, aufgeregt sind sie nicht. Schließlich hatten sie schon verschiedene Auftritte in der Öffentlichkeit. Und das Publikum hinter den Scheinwerfern sehen sie ohnehin nicht.

Weitere Vorstellungen: 20., 26. Januar und 19. März (je 19.30 Uhr), 26. Februar (16 Uhr) und 1. Mai (18 Uhr).

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