Mozart als Mozartovic

Das Quartett Uwaga! mischte vor 170 begeisterten Zuschauern Klassik mit Balkansounds - und schickte den Komponisten aus Salzburg auf eine Reise nach Jamaika.
Gießen. Eine kontrollierte musikalische Explosion ereignete sich beim Auftritt des Ensembles Uwaga! im Levi-Saal. Das Quartett mit zwei Geigen, Akkordeon und Kontrabass versetzte mit seinem teilweise nahezu übergeschnappten Programm »Mozartovic - Amadeus goes Balkan« die Zuhörer am Wochenende in reinstes Entzücken; ein Volltreffer.
Veranstalter Ludwig Vordemfelde, Inhaber des Modehauses Koehler, konnte sich freuen: Etwa 170 Besucher hatten sich eingefunden, um einen beschwingten Abend zu verbringen. Und den verschafften ihnen die Gäste tatsächlich. Christoph König (Violine und Viola), Maurice Maurer (Violine), Miroslav Nisic (Akkordeon) sowie Matthias Hacker (Kontrabass) präsentierten mit ihrem Mozart-Balkan-Pop-Mix eine ebenso ausgefallene wie ausgeschlafene Story. Dabei mischten sich erdachte Ereignisse aus der Biografie des Salzburger Großkomponisten (man wurde an den berühmten Jamaika-Aufenthalt und die Begegnung mit Bob Marley erinnert) mit reichlich osteuropäischer Atmosphäre in höchster handwerklicher Güte.
Der erste Titel fußte auf der Violinsonate e-Moll und schlug gleich voll ein. Mit sattem Klezmer-Schwung legte das Quartett los. Ein träumerisches Akkordeon setzte die Stimmung, schmelzender Geigenklang fügte sich ein, und eh man sich’s versah, war hier ein erstklassiges Stück neuer Musik zu hören, die einem doch völlig vertraut vorkam - ein Glanzlicht schon zu Beginn.
Irre Geschichten echter Spaßvögel
Maurice Maurers fließende Moderation machte schnell klar, dass hier echte Spaßvögel am Werk waren: »Mozart hatte sich ein Floß als Bühne gebaut und komponierte da vor sich hin« - so wurde seine dramaturgisch notwendige Weltreise in die Karibik erklärt. Sodann erklang das »Reggae-Union-Konzert« mit mozartscher Motivik, gekreuzt mit kraftvoller Reggae-Energie und einer modernen Anmutung. Das Publikum applaudiert bereits jetzt begeistert.
Spätestens beim »Bach-Doppelkonzert / Die zwei Gitarren« hatten die Gäste das Publikum auf ihrer Seite. Leicht angeswingt begann es, die Violine flog dahin, und das Akkordeon agierte samtweich. Zugleich erinnerte Maurice Maurer an Angus Young, legendären Gitarristen von AC/DC. Bemerkenswert für den freien Umgang mit dem Material war das Endlossolo des Akkordeons.
Überhaupt: Miroslav Nisic erwies sich als beglückend souveräner Instrumentalist, der mit unbeirrbarer Sicherheit die Leitlinien des Materials erspürte, frei improvisierte, und Mozart unbeschädigt in die Balkanklangwelt verfrachten konnte. Zugleich nutzte er mit kongenialer Sensibilität allerlei Grenzklänge seines Instruments. Das taten auch die Geiger König (auch Bratsche) und Maurer. Sie zauberten gelegentlich elektronisch anmutende Effekte hervor, immer dramaturgisch passend, und agierten als Duo mit fetziger Choreografie. Nicht zuletzt erwies sich Bassist Hacker in seinen Soli als ebenso ausgeschlafen und handwerklich perfekt wie die Kollegen.
Ein wichtiges Merkmal von Uwaga! ist Spaß ohne Flachheit, dazu besondere Musikalität und äußerstes Engagement. Scheinbar mühelos vermittelten sie wertschätzenden aber freizügigen Umgang mit Mozarts Werken und vollzogen eine ebenso leichtfüßige Synthese mit diversen osteuropäischen Einflüssen, nicht zuletzt einer fulminanten Tanzbarkeit - da rockte es zuweilen heftig. Dabei wurde zudem deutlich, wie umfassend der Einfluss von Klassikkomponisten wie Mozart auch auf das moderne Musikgeschehen ist.
Besonders eindrucksvoll ist die Fähigkeit des Quartetts, in einem einzigen Titel diverse Stimmungen zu inszenieren und stets zu einem einleuchtenden Gesamteindruck zu gelangen. Uwaga bedeutet schließlich »Aufmerksamkeit« auf Polnisch - das passt also. Häufige Bravorufe und begeisterte Pfiffe prägten den energiereichen Abend. Am Ende erntete das Quartett Riesenbeifall, solange, bis zwei Zugaben gegeben waren.