»Muss sich gut anfühlen«

Die Fraktion der Grünen in Gießen und das BID Seltersweg erörtern ihre Positionen zum Verkehrsversuch auf dem Anlagenring.
Gießen . Abgeschnitten vom Umland? Mehr Frequenz wegen gesteigerter Aufenthaltsqualität? Was bedeutet der Verkehrsversuch auf dem Anlagenring für die Entwicklung von Innenstadt und Einzelhandel? Seit über einem Jahr sorgen diese Fragen für teils intensive Diskussionen in der Stadtgesellschaft.
»Sehen den Einzelhandel als Erlebnisfaktor«
»Wenn eine gut gewollte Idee, die richtig ist, falsch umgesetzt wird, sorgt das für Widerspruch und schadet der Idee. Unser Ziel muss es sein, dass sich der Verkehrsversuch gut anfühlt und funktioniert. Ich bin heilfroh und es stimmt mich hoffnungsvoll, dass man sich die Zeit nimmt, den Versuch ausführlich zu planen«, sagt Heinz-Jörg Ebert, Vorsitzender des BIDs Seltersweg. Eine Sorge sei, dass die notwendige Frequenz in der Innenstadt einbrechen könnte. Vorsitzende Vera Strobel und Fabian Mirold-Stroh von der Fraktion der Grünen können die Ängste nachvollziehen. »Wir stehen aber total hinter der Innenstadtentwicklung. Die Abnahme von Autos wird mehr Lebensqualität in die Stadt bringen. Besonders wichtig ist uns, dass wir den Einzelhandel nicht nur als Wirtschaftsfaktor sehen, sondern auch als Erlebnisfaktor. Wir wollen, dass die Menschen in die Innenstadt wollen«, so Mirold-Stroh. Die beiden äußeren Spuren als Einbahnstraße in Fahrtrichtung gegen den Uhrzeigersinn für Autos. Die beiden inneren Spuren für Fahrräder. Das ist die Grundidee des Versuchs, der im Laufe des kommenden Jahres an den Start gehen soll.
Wenn man sich in den Zielen einig sei, dass »wir eine attraktive Innenstadt wollen, Verkehrsfluss und eine gute Infrastruktur für Radfahrer und Fußgänger« und der Verkehrsversuch insgesamt gut ausgeführt sei, dann sei er mit der Regierungskoalition aus Grünen, SPD und Gießener Linke auf einer Linie, betont Ebert. »Aber ich habe oft das Gefühl, dass der Versuch nur für die Gießener gemacht ist. Wichtig ist deshalb die Kommunikation: Wir brauchen eine positive Einladung an das Umland und die passende Infrastruktur.« Es gelte, das Oberzentrum Gießen zu stärken. Nur mit Kulturveranstaltungen lasse sich die Innenstadt nicht entwickeln. »Ohne den Einzelhandel können wir diese Vision abschreiben«, unterstreicht Mirold-Stroh.
Zudem handele es sich bei dem Versuch um einen von insgesamt fünf Schritten. »Unser Ziel ist es nicht, die Autos einfach rauszudrängen. Wir haben einen Endzustand vor Augen, von dem der Anlagenring ein Teil ist«, erläutert der Stadtverordnete. Er verweist in diesem Zusammenhang unter anderem auf die Entwicklung des Öffentlichen Personennahverkehrs. Auf Eberts Sorge, dass das Umland durch den Versuch ausgeschlossen sein könnte, antwortet der Student, dass »wir gar kein Interesse daran haben, dass die Leute nicht mehr kommen.«
»Im Endzustand keine Autos mehr in der Innenstadt«
Er sei mit dem BID-Vorsitzenden einer Meinung, dass der Versuch auf keinen Fall schlecht werden darf. Denn: »Ich sehe das als Gerüst für weitere Änderungen.« Beim angestrebten Endzustand gebe es, von Ausnahmen abgesehen, keine Autos mehr in der Innenstadt. Statt dessen finde sich viel Grün und Gelegenheit zum Sitzen.
Die Innenstadt sei so absolut vorstellbar, aber die Mobilität müsse gewährleistet sein und das Umland in die Stadt kommen wollen, antwortet Ebert. »Wenn die Gießener vermehrt ihre Autos stehen lassen, dann wird es für Menschen aus dem Umland einfacher, in die Stadt zu kommen«, meint Strobel. Der große Fokus liege auf den Parkhäusern, die für jeden gut erreichbar und erkennnbar seien, ergänzt der Fraktionskollege. Bislang gebe es noch keine zufriedenstellende Lösung für Menschen, die schlecht laufen können. »Aber daran arbeiten wir natürlich«, macht Mirold-Stroh abschließend deutlich.