Nachhaltige Energiepolitik

Vortrag in Gießen: Welche nachhaltigen Energiequellen gibt es? Und welche Rohstoffe benötigen sie? Diesen Fragen widmete sich Prof. Derck Schlettwein in der JLU-Reihe »Physik im Blick«.
Gießen. Es muss sich etwas tun bei der Energiegewinnung und -speicherung, darüber ist sich die Wissenschaft einig. Doch welche nachhaltigen Energiequellen gibt es? Und welche Rohstoffe benötigen sie?
Diesen Fragen widmete sich Prof. Derck Schlettwein von der Justus-Liebig-Universität im Rahmen der Reihe »Physik im Blick«. In seinem Vortrag mit dem Titel »Nachhaltige Technologien auf Basis gut verfügbarer Elemente« kam er dabei zunächst auf den Begriff »Nachhaltigkeit« zusprechen. Laut Schlettwein stamme der Begriff ursprünglich aus der Holzwirtschaft des 18. Jahrhunderts.
Schon damals spielte Generationengerechtigkeit eine Rolle: Für Hans Carl von Carlowitz (1645-1714) zeichnete sie sich dadurch aus, dass die »Nachkommenschaft wenigstens ebenso viel Vorteil daraus ziehen kann, als sich die jetzt lebende Generation zueignet.« Doch woher beziehen wir einen Großteil unserer Ressourcen? »Zugänglich ist uns ein dünner Mantel unseres Planeten - die Erdkruste«, meint Schlettwein. Daher »müssen wir zurechtkommen mit den Dingen, die wir hier so finden,« resümiert er weiter. Zwei Drittel der Erdkruste bestünden aus Sauerstoff und Silizium, was bedeute, dass sich alle anderen Elemente das verbliebene Drittel teilen.
»Mit einem effektiven Elektromotor und einem effektiven Generator wäre schon viel gewonnen,« gibt Schlettwein zu bedenken. Doch hier beginnen die Probleme mit nachhaltigen Technologien. Ob Windkraftanlage oder Elektromotor - der Wirkungsgrad beider hängt wesentlich von den in ihnen verwendeten Magneten ab und diese sind heute auf den Einsatz seltener Metalle, wie Neodym oder Bor, angewiesen.
Doch es gibt auch Grund für Optimismus: Laut Schlettwein haben Forscher aus einem Meteorit eine sehr effektive magnetische Verbindung auf Eisen-Nickel-Basis extrahieren können, zwei Elementen die relativ gut verfügbar seien. Leider sei die Verbindung äußerst instabil, weswegen es wohl noch einiger Forschung bedürfe, bis diese Technologie praxistauglich sei.
Auch auf Photovoltaik kam Schlettwein zu sprechen. Hier bestünde ein großes Problem in der äußerst energieaufwendigen Erschmelzung von Siliziumkristallen, welche die Grundlage der meisten Photovoltaikanlagen bilden. Etwa ein Jahr Betriebsdauer bräuchte es dabei, um den Energiebedarf der Herstellung wieder zurückzugewinnen. Besonders problematisch sei es, dass aktuell die meisten Solarzellen aus Asien kämen, wo Kohlestrom bis heute der Hauptenergieträger sei.
Doch auch Deutschland habe beim Energiemix nach wie vor Probleme: Eine Kilowattstunde Solarstrom entspreche der Freisetzung von 45g Treibhausgasen. Der Durchschnitt einer Kilowattstunde Strom beim deutschen Energiemix liege dagegen bei 500g.
Ein Mix aus Photovoltaik und Windenergie sei für eine nachhaltige Energiepolitik grundsätzlich gut geeignet, meint Schlettwein: »Meistens haben wir viel Sonne, wenn der Wind nicht weht oder viel Wind, wenn die Sonne nicht scheint.« Ohne Speichermedien kämen beide aber trotzdem nicht aus. Deutsches Spezifikum im europäischen Vergleich sei das Pumpspeicherkraftwerk, welches Wasser als Speichermedium für kinetische Energie nutzt. »Da rede ich über Seen statt Fässer,« verweist Schlettwein auf die Dimensionen solcher Anlagen. Die am hessischen Edersee gelegenen Pumpspeicherkraftwerke Waldeck I und II fassten beispielsweise 0,7 und 4,4 Millionen Kubikmeter Wasser.
Ob in Handys, Autos oder eigenen Speicheranlagen: Auch Akkus würden laut Schlettwein eine wichtige Rolle bei einer nachhaltigen Energiepolitik spielen. Problem hierbei seien aber besonders die seltenen Stoffe Lithium und Kobalt, die Energieträger in den meisten von uns verwendeten Akkus. »Die Vorräte sind begrenzt,« merkt Schlettwein bezüglich der Verfügbarkeit von Lithium an.
»Nachhaltigkeitsziele sind echt anspruchsvolle Bedingungen,« fasst Schlettwein zusammen, »da haben wir uns Einiges vorgenommen. An der JLU sind wir aber durchaus engagiert,« meint er mit Blick auf die laufenden Forschungsprojekte im Bereich Nachhaltigkeit an der Gießener Universität.